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EU-Kriminalität in schlechter Verfassung   Heft 3/2003
nachhaltig gestört
Das ökologisch-ökonomische Gleichgewicht

Seite 102
 
 

So uneins die Staaten der Europäischen Union (EU) auch in ihrem Krieg nach außen sein mögen, die Mobilisierung nach innen gestalten sie zunehmend geschlossener. Ausgerechnet in der künftigen Verfassung des vereinten Europa soll nach den Vorschlägen des europäischen Reformkonvents die Zusammenarbeit der Staaten im Kampf gegen die sogenannte internationale Kriminalität en detail festgelegt werden.
Danach sollen die Tätigkeiten der nationalen Justizbehörden stärker koordiniert und einige ihrer Kompetenzen zusammengeführt werden. Die EU wird nach den Maßgaben des Kon-ventspräsidiums eigene "Rahmengesetze" zur Bekämpfung internationaler Delikte in den Bereichen des Menschen-, Waffen- und Drogenhandels, der Geldwäsche, der "Cybercrimes" im Internet sowie des mittlerweile ausschweifend definierten Terrorismus verabschieden können. Auch in der Ausgestaltung des zukünftigen Repressionsapparates zeigt sich der Verfassungskonvent gefährlich reformorientiert. So sollen nicht nur die nationalen Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste ihre Zusammenarbeit nochmals intensivieren, auch die bislang kaum kontrollierte europäische Polizeibehörde EUROPOL darf sich demnächst eigener, uneingeschränkter Befugnisse zu "operativen Ermittlungen und Maßnahmen" erfreuen.
Die polizeilichen Tätigkeiten sollen allerdings nun stellenweise von einer "europäischen Staatsanwaltschaft" begleitet werden. Dabei wird die Strafverfolgungsbehörde zunächst bei schweren Vergehen gegen die finanziellen Interessen der EU die grenzüberschreitenden Ermittlungen leiten. Der Vorschlag knüpft direkt an das insbesondere von Deutschland angetriebene Projekt der kürzlich eingeweihten Verbindungsstelle EUROJUST, die als Anlaufstelle für nationale Ermittlungsbehörden dient, um Kompetenzen, Ermittlungen und Verfahren bei internationalen Delikten zu koordinieren.
Gleichzeitig hat die Europäische Kommission ein so genanntes "Grünbuch" vorgelegt, mit dem sie den oft beklagten Schwierigkeiten mit den unterschiedlichen Rechtssystemen begegnen will. Danach soll die EU-Staatsanwaltschaft dezentral innerhalb der Mitgliedsstaaten agieren, dort die jeweiligen strafprozessualen Regelungen anwenden und Anklage auch vor den einzelstaatlichen Gerichten erheben. StrafverteidigerInnen befürchten mit dieser Form der europäisierten Strafverfolgung einen ähnlich katastrophalen Effekt für die Rechte der Beschuldigten wie schon beim Europäischen Haftbefehl: Die StrafverfolgerInnen können ihre Ermittlungsverfahren mit einer geschickten Kombination aus den isolierten nationalen Regelungen so gestalten, dass eine effektive Wahrnehmung der Verteidigungsrechte unmöglich wird.

Stephen Rehmke, Hamburg