|  | Für die Verbrechen, die deutsche Soldaten im Zweiten Weltkrieg in Jugoslawien 
        verübten, wurden die EinwohnerInnen der serbischen Kleinstadt Varvarin 
        noch entschädigt. Zu den Reparationsleistungen zählte eine 1924 in Deutschland 
        gefertigte Brücke, die dort nach dem Krieg demontiert und in Varvarin 
        als Zugangsweg über den Fluss Marava wieder errichtet wurde. Heute fordern 
        die VarvarinerInnen wieder Entschädigung. Denn die Brücke steht nicht 
        mehr. Mit ihrer Zerstörung wurden zehn Menschen getötet und 30 verletzt. 
        Das Unheil kündigte sich an, als zum Mittag des 30. Mai 1999 ein kleines 
        Geschwader von F-16-Kampfjets über dem Himmel von Varvarin aufzog. In 
        Jugoslawien herrschte erneut Krieg. Die NATO hatte das Land - wie es hieß 
        - zur Verhinderung einer humanitären Katastrophe angegriffen.  Kriegslügen  In der Region Kosovo bekämpfte die jugoslawische Armee seinerzeit die 
        albanische Separationsbewegung UCK. Angeleitet durch das "Media Operation 
        Center" der NATO berichteten die Staaten der Militärallianz von einem 
        "ethnisch begründeten Völkermord", den die SerbInnen an AlbanerInnen verübten. 
        Ausgehend von der Behauptung, das Sportstadion von Priština diene als 
        serbisches Konzentrationslager, bemühten deutsche PolitikerInnen Vergleiche 
        mit den Untaten ihrer nationalsozialistischen VorgängerInnen. Verteidigungsminister 
        Scharping erfand mit dem berüchtigten "Hufeisenplan" nicht nur den vermeintlichen 
        Beweis für einen systematischen Genozid im Kosovo, sondern erdichtete 
        auch Gräuelmärchen von serbischen Soldateska, die mit abgeschnittenen 
        Köpfen Fußball spielten. In Verbindung mit einer willfährigen Presse fand 
        sich die Öffentlichkeit schnell bereit, den Vorgaben des Außenministers 
        Fischer zu folgen, wonach ein weiteres "Auschwitz" zu verhindern sei. 
        Nachdem Berichte über ein angebliches Massaker in Racak kolportiert wurden 
        - die sich nach der Untersuchung einer finnischen Kommission später völlig 
        anders darstellten - forderte die NATO die Belgrader Regierung ultimativ 
        auf, den Vorgaben von Rambouillet nachzukommen. Mit dem so genannten Annex 
        B sollte das entsprechende Abkommen die Bundesrepublik Jugoslawien zwingen, 
        den NATO-Truppen unbeschränkten Zugang in ihr gesamtes Staatsgebiet zu 
        ermöglichen und damit ihre staatliche Souveränität aufzugeben. Als sich 
        die jugoslawischen RegierungsvertreterInnen weigerten, ein derartiges 
        Besatzungsstatut, über dessen Inhalt die europäische Öffentlichkeit erst 
        Wochen später informiert wurde, zu unterzeichnen, fiel in den Mitgliedsstaaten 
        der NATO die Entscheidung zur "Operation Allied Force", der Entschluss 
        zum Bombenkrieg.1
 Angriffskrieg Am 8. Oktober 1998 fasste der NATO-Rat den Beschluss, mit Luftoperationen 
        gegen die Bundesrepublik Jugoslawien vorzugehen. An der gemeinsam gebildeten 
        Eingreiftruppe sollten sich auch deutsche Streitkräfte beteiligen. Der 
        Deutsche Bundestag segnete das Vorhaben am 16. Oktober 1998 ab und stimmte 
        in der Folge auch am Vorabend des Krieges am 25. Februar 1999 "dem von 
        der Bundesregierung am 22. Februar 1999 beschlossenen Beitrag zur militärischen 
        Umsetzung eines Rambouillet-Abkommens für den Kosovo sowie zu NATO-Operationen" 
        zu. Die Beschlüsse entbehrten jeder völker- wie verfassungsrechtlichen Grundlage: 
        Die Vereinten Nationen (UN) haben sich 1945 nach den verhängnisvollen 
        Erfahrungen der beiden Weltkriege auf ein System der kollektiven Friedenssicherung 
        geeinigt, das zwischenstaatliche Konfliktsituationen durch friedliche 
        Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts bereinigen 
        und beilegen sollte. Dieses Ziel konkretisierten sie mit dem absoluten 
        Gewaltverbot in Artikel 2 Ziffer 4 ihrer Charta, das sowohl Aggressionshandlungen 
        als auch Verletzungen der territorialen Unversehrtheit oder der politischen 
        Unabhängigkeit eines Staates untersagt. Nach der Charta ist den Staaten 
        die Wahl kriegerischer Mittel nur zur unmittelbaren Selbstverteidigung 
        erlaubt oder wenn der UN-Sicherheitsrat sie zum Einsatz militärischer 
        Sanktionsmaßnahmen ermächtigt.2
 Humanitäre Intervention Die NATO hatte vor Beginn der "Operation Allied Force" den UN-Sicherheitsrat 
        weder um ein entsprechendes Mandat ersucht noch vorab informiert. Statt 
        dessen versuchte die Allianz, ihr Vorgehen mit einem aus Art. 51 UN-Charta 
        abgeleiteten Nothilferecht zu begründen. Mit Verweis auf die als katastrophal 
        bezeichnete Lage der Menschenrechte sei sie zur so genannten "humanitären 
        Intervention" auf jugoslawischem Staatsgebiet berechtigt. Abgesehen davon, dass mit der wahrheitswidrigen Darstellung der Situation 
        im Kosovo die Voraussetzungen für eine derartige Intervention offensichtlich 
        eher konstruiert als nachgewiesen werden sollten, kann bis heute von einem 
        derartigen Recht im internationalen Staatengefüge nicht gesprochen 
        werden. Um das Instrument der "humanitären Intervention" 
        mit Völkergewohnheitsrecht zu legitimieren, fehlte es schlicht an 
        einer allgemeinen Rechtsüberzeugung und einer einheitlichen Staatenpraxis. 
        1986 hatte der Internationale Gerichtshof (IGH) den USA die Legitimität 
        einer solchen Maßnahme gegen Nicaragua abgesprochen, zu einer ähnlichen 
        Überzeugung gelangten im Übrigen auch regelmäßig 
        die Mehrheiten der UN-Generalversammlung bei Abstimmungen über einschlägige 
        Resolutionen. Dies änderte sich auch nicht mit der Intervention in 
        Jugoslawien, an der Staaten wie Russland, Indien, China und Südafrika 
        harsche Kritik übten.
 Dem entsprechend setzten sich auch die Bundesregierung und der Deutsche 
        Bundestag über zwingendes Völkerrecht hinweg. Noch 1994 betonte 
        das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zu den "out-of-area"-Einsätzen 
        der Bundeswehr, dass diese gemäß Art. 24 Abs. 2 des Grundgesetzes 
        (GG) nur im "Rahmen und nach den Regeln" eines Systems kollektiver 
        Sicherheit - wie es die UN-Charta darstellt - stattfinden darf. Es wird 
        den Opfern deutscher Kriege wie Hohn klingen und den Warnungen vor neuem 
        Großmachtstreben Bestätigung geben, wenn man angesichts dieses 
        Parlamentsbeschlusses in Art. 2 S. 3 des Zwei-Plus-Vier-Vertrages liest: 
        "[...], dass das vereinte Deutschland keine seiner Waffen jemals 
        einsetzen wird, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung 
        und der Charta der Vereinten Nationen."3
 Bombenkrieg Am 23. März 1999 gab der Generalsekretär der NATO Solana dem Oberkommandierenden 
        General Clark den völkerrechtswidrigen Befehl zum Bombenkrieg gegen die 
        Bundesrepublik Jugoslawien. Am darauffolgenden Morgen begann das 78 Tage 
        andauernde Bombardement. An einem der letzten Tage der Luftoperationen, 
        dem 30. Mai, suchte der Krieg die serbische Kleinstadt Varvarin heim. 
        Die 4000-Seelen-Gemeinde beging das orthodoxe Fest der heiligen Dreifaltigkeit 
        und wie jeden Sonntag fanden sich zahlreiche Menschen beim Wochenmarkt 
        ein. So zählte der Stadtkern um die Kirche und den Marktplatz an jenem 
        Tag mit bis zu 3.500 Gästen besonders viele BesucherInnen, von denen viele 
        aus den umliegenden Dörfern angereist waren.
 Varvarin findet sich auf der Landkarte des Bundeslandes Serbien 180 Kilometer 
        südöstlich von Belgrad, der Kosovo ist 200 Kilometer entfernt. In der 
        Region haben sich keine nennenswerten Industriebetriebe angesiedelt, die 
        Bevölkerung lebt im wesentlichen von der Landwirtschaft. In Varvarin befand 
        sich seinerzeit kein Militär, lediglich drei Gendarmen ordneten das zivile 
        Leben. In den Ort führen weder Eisenbahn noch Fernstraßen. Und auch die 
        alte Brücke aus Deutschland hatte mit ihren gerade einmal viereinhalb 
        Metern in der Breite und der maximalen Belastbarkeit von zwölf Tonnen 
        keinerlei Nutzen für schweres Kampfgerät. Das Provinznest galt als so 
        friedlich, dass mehrere Familien aus den umliegenden Städten hier Zuflucht 
        suchten. Was hatte Varvarin also von den zur Mittagszeit herannahenden 
        Fliegern zu befürchten?
 Die KampfpilotInnen der NATO feuerten um 13 Uhr mehrere Raketen auf die 
        Brücke. Als schockierte EinwohnerInnen den ersten Opfern zu Hilfe eilten, 
        flogen die Bomber 25 Minuten später die zweite Angriffswelle auf das bereits 
        völlig zerstörte Bauwerk. Das Bombardement kostete zehn Menschen das Leben, 
        30 weitere wurden verletzt, 17 von ihnen schwer. Das Hauptquartier des 
        westlichen Militärbündnisses erklärte kurze Zeit später, NATO-Flugzeuge 
        hätten einen koordinierten Angriff gegen die "Autobahnbrücke" von Varvarin 
        geflogen, eine "Hauptkommunikationslinie und ein vorgesehenes, legitimes 
        militärisches Ziel".4
 Kriegsregeln Eine Lesart, die sich mit den seit Beginn des letzten Jahrhunderts geltenden 
        Regeln des internationalen Kriegsrechts nicht in Übereinstimmung bringen 
        lässt. Bereits nach der Haager Landkriegsordnung von 1907 und der IV. 
        Genfer Konvention von 1949 gelten Angriffe auf zivile Ziele in bewaffneten 
        Konflikten als schwere Verstöße gegen humanitäres Völkerrecht. Das Erste 
        Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen konkretisierte 1977 in seinem vierten 
        Teil mit einer Reihe von Tatbeständen den Schutz der Zivilbevölkerung. 
        Das Protokoll stellt in der Grundregel des Artikels 48 unmissverständlich 
        klar, dass sich Kriegshandlungen ausschließlich gegen militärische Ziele 
        richten dürfen. Es schließt dabei Angriffe gegen unverteidigte Orte ein 
        und formuliert ein ausdrückliches Verbot von zielgerichteten Aggressionshandlungen 
        gegen Zivilpersonen, insbesondere wenn sie Schrecken unter der Zivilbevölkerung 
        verbreiten sollen, sich nicht gegen ein bestimmtes militärisches Ziel 
        richten und sich in der Weise als unterschiedslos erweisen, als sie in 
        keinem Verhältnis zum erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen 
        Vorteil stehen. Zudem hält das Zusatzprotokoll die Kriegsparteien an, 
        die Zivilbevölkerung vor entsprechenden Angriffen zu warnen und schon 
        in der Planung der Angriffe sicherzustellen, dass es sich bei den Zielen 
        um militärische Objekte handelt und dass es nicht zu unverhältnismäßigen 
        Opfern unter der Bevölkerung kommen wird.5  Kriegsverbrechen Der Kampfverband der NATO schenkte diesen Kriegsregeln offensichtlich 
        keinerlei Beachtung. Dem Planungsstab für derartige Einsätze im Combined 
        Allied Operations Command musste die militärische Bedeutungslosigkeit 
        des entlegenen serbischen Ortes, der weder Streitkräfte beherbergte noch 
        eine geeignete Nachschublinie bieten konnte, deutlich ins Auge gesprungen 
        sein. Stattdessen wurde Befehl zum Angriff auf die Brücke gegeben - ausgerechnet 
        für den hohen Pfingstfeiertag. Die BomberpilotInnen hatten an jenem sonnigen 
        Tag uneingeschränkte Sicht auf das flach bebaute Städtchen. Die Menschentrauben, 
        die sich anlässlich des Festes und Markttages in der Stadtmitte bildeten, 
        konnten ihnen kaum entgangen sein - zumindest nicht nach der ersten Attacke. 
        Gleichwohl unterließen sie jegliche Warnung und flogen einen zweiten Angriff 
        auf die schon zerbombte Brücke, der die Hilfe Leistenden völlig unerwartet 
        treffen musste und in der Folge auch die meisten Opfer verschuldete. Bis heute ist nicht geklärt, aus welchen Gründen die Varvariner Brücke 
        als Ziel der Bombenangriffe ausgewählt wurde. Die Verantwortlichen in 
        der NATO halten sich bedeckt, auch die Nationalität der PilotInnen wurde 
        nie bekannt gegeben. Im Zuge der Berichterstattung über den Fall wurde 
        spekuliert, dass es sich bei der Brücke um ein so genanntes Sekundärziel 
        handelte, das als Ersatz für ein eigentlich ausgewähltes, aber schon zerstörtes 
        Angriffsobjekt herhalten musste. Kritische MilitärwissenschaftlerInnen 
        wie John Erickson äußerten zudem die Vermutung, die Ereignisse von Varvarin 
        reihten sich in eine strategische Kampagne ein, die durch den gezielten 
        Beschuss nicht-militärischer Ziele größtmögliche Verwirrung und Angst 
        unter der serbischen Zivilbevölkerung schüren sollte.6
 Welche Absichten das Kommando der Luftwaffe und die PilotInnen auch gehabt 
        haben mögen, der Überfall auf Varvarin stellt nach den dargelegten Regeln 
        des Ersten Zusatzprotokolls einen Verstoß gegen das Verbot des Führens 
        eines unterschiedslos wirkenden, die Zivilbevölkerung oder zivile Objekte 
        in Mitleidenschaft ziehenden, unverhältnismäßigen Angriffs dar, der nach 
        Artikel 85 dieses Abkommens als Kriegsverbrechen zu ahnden ist.
 Kollateralschäden Varvarin ist beileibe nicht das einzige mutmaßliche Kriegsverbrechen, 
        das die westliche Militärallianz in dem Feldzug gegen die jugoslawische 
        Bundesrepublik zu verantworten hat. Amnesty International führte in einem 
        Bericht vom Juni 2000 diverse Angriffe auf die Zivilbevölkerung auf, wie 
        beispielsweise den Luftangriff auf einen Personenzug an der Grdelica-Schlucht, 
        den Luftschlag auf den Belgrader Fernsehsender RTS oder die Bombardements 
        auf den Markt und das Krankenhaus in Nis. 7 Auf den Pressekonferenzen des Supreme Headquarters Allied Powers in Europe 
        (SHAPE) wurden die Opfer derartiger Angriffe stets bedauert um sie zugleich 
        als gelegentliche, aber unvermeidliche "Kollateralschäden" von Luftoperationen 
        gegen Militäreinrichtungen zu entschuldigen. Die Schadensbilanzen lesen 
        sich wahrlich anders. Einer vorläufigen Aufstellung der Menschenrechtsorganisation 
        Human Rights Watch zufolge kamen bei den Angriffen 489 bis 529 Zivilpersonen 
        ums Leben. Die Belgrader Regierung selbst zählte im Februar 2000 über 
        2.000 zivile Opfer sowie 82 Brücken, 422 Schulen, 48 Einrichtungen des 
        Gesundheitswesens, 74 Fernsehstationen oder Transmitter sowie zahlreiche 
        Elektrizitätswerke, Fabriken und Straßen, die von den Bomben der NATO 
        zerstört oder beschädigt worden waren. Die zitierte humanitäre Katastrophe 
        wurde durch das Bombardement indes nicht verhindert, wie diverse Hilfsorganisationen 
        und schließlich auch der Bericht der OSZE vom 6. Dezember 1999 feststellten. 
        Im Gegenteil, die anhaltenden Luftangriffe ließen die Situation im Kosovo 
        eskalieren.
 Den unzähligen Verdachtsmomenten, die auf Kriegsverbrechen der NATO in 
        dem völkerrechtswidrigen Angriff auf die Bundesrepublik Jugoslawien hindeuten, 
        ist bis heute vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das frühere 
        Jugoslawien (ICTY) nicht ernsthaft nachgegangen worden. Bereits wenige 
        Tage nach dem Bericht von Amnesty International lehnte das Kriegsverbrechertribunal 
        in Den Haag eine entsprechende Prozesseröffnung ab. Auch in Deutschland 
        wurde es stets verstanden, die Verantwortlichen des Angriffskrieges vor 
        strafrechtlichen Konsequenzen zu schützen.
 Ziviles Recht Im vergangenen Jahr haben 34 Betroffene des Angriffes auf Varvarin mit 
        Unterstützung einer deutschen Projektgruppe das Kriegsverbrechen doch 
        noch vor Gericht gebracht. Sie hatten die Bundesrepublik Deutschland auf 
        Zahlung von Schmerzensgeld in einer Höhe von insgesamt 3,5 Millionen Euro 
        wegen Verletzung humanitären Völkerrechts verklagt. Die Klage wurde für 
        zulässig erklärt und am 15. Oktober 2003 vor dem Landgericht Bonn verhandelt. 
        Von der Klagevertretung wurde mit § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) 
        i.V.m. Art. 34 Grundgesetz (GG) eine Anspruchsgrundlage aus dem deutschen 
        Zivilrecht herangezogen. Eine der zentralen rechtlichen Fragen ist deshalb, 
        ob das im Zivilrecht verankerte Amtshaftungsrecht in bewaffneten Konflikten 
        Anwendung finden kann. Weiterhin ist für die rechtliche Bewertung von 
        entscheidender Bedeutung, ob Einzelpersonen, die im Rahmen von kriegerischen 
        Auseinandersetzungen verletzt wurden und die gleichzeitig StaatsbürgerInnen 
        einer am Krieg beteiligten Nation sind, überhaupt Ansprüche geltend machen 
        können.
 Die rechtlichen Probleme sind von deutschen Gerichten bezogen auf aktuelle 
        Kriegsgeschehen bisher nicht entschieden worden. Es handelt sich deshalb 
        um juristisches Neuland.
 Wiedergutmachungsansprüche  Wiedergutmachungsansprüche von Personen, die von Völkerrechtsverletzungen 
        betroffen waren, wurden in der Geschichte bislang von den jeweiligen Heimatstaaten 
        gegenüber den verantwortlichen Staaten geltend gemacht. Gleichwohl lässt 
        sich daraus nicht der Grundsatz ableiten, dass derartige Ansprüche nur 
        Staaten als solchen zustehen. Gegen diese in der Völkerrechtslehre weit 
        verbreitete Annahme sprechen zum einen die Entwicklung des Völkerrechts 
        und zum anderen die Machtverhältnisse der an Kriegen beteiligten Staaten.Ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg, der unter Verletzung des in Art. 
        2 Ziff. 4 UN-Charta benannten absoluten Gewaltverbots begonnen wurde, 
        begründet stets einen Schadensersatzanspruch des angegriffenen Staates 
        für sämtliche Kriegsschäden. Ebenso haben alle durch Kriegshandlungen 
        geschädigten Personen und ihre Staaten einen vom Kriegsgrund unabhängigen 
        Schadensersatzanspruch, wenn diese Handlungen sich als Verletzung des 
        Kriegsrechts darstellen.8 Allerdings erfolgen entsprechende Entschädigungen 
        in der Regel in Form von zwischenstaatlichen Friedensabkommen, in deren 
        Rahmen Reparationsansprüche geregelt werden. Die Bedingungen derartiger 
        Friedensverträge werden für gewöhnlich von den siegreichen Staaten bestimmt.
 An den Beispielen gegenwärtiger Kriege verdeutlicht sich, dass eine Wiedergutmachung 
        der dabei entstandenen "Kollateralschäden" durch Reparationsleistungen 
        nicht erfolgt, auch wenn diese Schäden durch einen nach Völkerrecht verbotenen 
        Krieg entstanden sind. Die entscheidende Rolle für die Durchsetzbarkeit 
        von Wiedergutmachungsansprüchen spielt allein das Kräfteverhältnis zwischen 
        den kriegführenden Staaten. Im Falle der Aggressionshandlungen der NATO 
        gegen die Bundesrepublik Jugoslawien wird sich aktuell in dem von Serbien-Montenegro 
        angestrengten Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den 
        Haag erweisen müssen, ob sich diesbezüglich eine andere Entwicklung aufzeigen 
        wird.9
 Der Anspruch eines Staates auf Schadensersatz für völkerrechtswidrige 
        Handlungen schließt nun in der Praxis zwar die Ansprüche seiner StaatsbürgerInnen 
        regelmäßig mit ein, ist aber nicht exklusiv. Nach dem Zweiten Weltkrieg 
        wurde die Geltungskraft der Menschenrechte im internationalen Recht durch 
        diverse Konventionen verstärkt und das Völkerrecht dahin gehend weiter 
        entwickelt, dass zusammenfassend von einer Abschwächung des staatlichen 
        Monopols zugunsten der Stärkung von Individualrechten gesprochen werden 
        kann. Ausdrücklich schließen die Menschenrechtskonventionen aus, dass 
        Staaten die universelle Geltung der Rechte auf Leben oder körperliche 
        Unversehrtheit in Notstandssituationen einschränken oder aufheben können.10 
        Somit können kriegsbedingte Schäden, die nicht auf rechtmäßige bewaffnete 
        Handlungen zurückzuführen sind, nicht mehr durch den Krieg als Ausnahmezustand 
        gerechtfertigt werden.11 Auch das Bundesverfassungsgericht hatte 1996 
        in einem Beschluss diese Entwicklung der universellen Menschenrechte erkannt 
        und betont, dass bei Völkerrechtsdelikten neben den völkerrechtlichen 
        Ansprüchen des Staates auch nationale, zivilrechtliche Ansprüche bestehen 
        können.12
 Staatshaftungsrecht Neben den völkerrechtlichen Verpflichtungen garantiert das deutsche Recht 
        in Art. 2 und Art. 34 GG das Recht auf Leben und den ordentlichen Rechtsweg 
        für einen Schadenersatzanspruch im Falle seiner Verletzung durch Amtsträger. 
        In § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG wird dieser Anspruch aus dem Staatshaftungsrecht 
        formuliert: "Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm 
        einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten 
        den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen." Über Art. 34 S. 1 GG wird 
        die Haftung von dem Amtsträger auf den Staat oder die Körperschaft, in 
        deren Dienst er steht, abgewälzt. Die Rechtsprechung hat bisher in Übereinstimmung mit der herrschenden 
        Literaturmeinung die Anwendbarkeit des Staatshaftungsrechts auf Kriegsschäden 
        ausgeschlossen. Zuletzt hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in der so genannten 
        "Distomo-Entscheidung" vom 26. Juni 2003 einen Anspruch aus Amtshaftungsrecht 
        für Verletzungen des Kriegsrechts abgelehnt.13
 Die Überlebenden eines im Jahre 1944 von deutschen Truppen verübten Massakers 
        an der Zivilbevölkerung des griechischen Dorfes Distomo hatten die Bundesrepublik 
        Deutschland als Rechtsnachfolgerin des NS-Regimes auf Entschädigung verklagt. 
        Nach dem BGH-Urteil gilt die Amtshaftung nicht für den Kriegsfall, da 
        ein zwischenstaatlicher Ausnahmezustand herrsche, der damit einher gehend 
        den geordneten Staatsgang außer Kraft setze. In seiner Entscheidung wies 
        der BGH aber nachdrücklich darauf hin, dass er sich nur auf die Rechtsauffassung 
        zum Zeitpunkt der Tat im Jahr 1944 beziehe und rechtliche Fortentwicklungen 
        bzw. veränderte Rechtsanschauungen - etwa im Lichte des heute geltenden 
        Grundgesetzes oder von Änderungen des internationalen Rechts - außer Betracht 
        bleiben müssten.
 Abgesehen davon, dass der Kriegzustand in Griechenland 1944 schon längst 
        durch den völkerrechtlich anders zu bewertenden Besatzungsstatus mit entsprechenden 
        Pflichten abgelöst worden war, haben sich die Verpflichtungen zur Wahrung 
        der Menschenrechte im internationalen Recht tatsächlich so weit fortentwickelt, 
        dass sie auch zur innerstaatlichen Verantwortlichkeit führen. Danach hat 
        ein Staat, wenn ihm Menschenrechtsverletzungen zuzurechnen sind, mit Entschädigungsleistungen 
        dafür ebenso einzustehen wie er geeignete Rechtswege zur Durchsetzung 
        dieser Ansprüche garantieren muss.
 Deutsche Verantwortung Insofern ergibt sich für die Opfer des Bombardements auf Varvarin die 
        Möglichkeit, über den nationalen Rechtsweg einen Schadensersatzanspruch 
        aus Amtshaftung geltend zu machen.Die Bundesrepublik Deutschland haftet dabei als Mitgliedstaat der NATO 
        gesamtschuldnerisch im Sinne des § 421 BGB. Die Ansprüche richten sich 
        gegen jeden einzelnen Mitgliedstaat, da die Luftoperationen durch die 
        Vertragsstaaten gemeinschaftlich beschlossen und durchgeführt wurden. 
        Höchste Entscheidungsebene des Bündnisses ist nach § 9 des Nordatlantikvertrages 
        der NATO-Rat, in dem alle Bündnisstaaten gleichberechtigt vertreten sind. 
        Beschlüsse sind ausschließlich Konsensentscheidungen, das heißt, dass 
        zwingende Voraussetzung jedes einzelnen Beschlusses die einzelstaatliche 
        Zustimmung ist. Anders ausgedrückt: Jeder Mitgliedsstaat hat ein Veto-Recht. 
        Auch auf eine Große Anfrage der Fraktion der PDS im Deutschen Bundestag 
        antwortete die Regierungsvertretung: "Zielplanung und Zielauswahl sind 
        im NATO-Rahmen abgestimmt worden".14 Deutschlands Mittäterschaft war im 
        Übrigen auch nicht auf diese eher abstrakt erscheinenden Zustimmungsvorgänge 
        beschränkt. Insbesondere deutsche Aufklärungsgeschwader wie die Lufteinheit 
        "Immelmann" waren im Krieg gegen Jugoslawien für Luftaufnahmen verantwortlich, 
        die in die Satelliten gestützten Steuerungssysteme der Kampfbomber eingespeichert 
        wurden und anhand derer die Besatzungen ihre Ziele anpeilten.15 Mit hoher 
        Wahrscheinlichkeit dürfte unter diesen Fotos auch ein Porträt der Brücke 
        von Varvarin zu finden sein.
 Verantwortungslosigkeit Am 10. Dezember 2003 hat das Landgericht Bonn das Urteil verkündet. Die 
        Klage wurde mit einer dürftigen, sechsseitigen Urteilsbegründung abgewiesen. 
        Auf kaum eine der oben aufgeworfenen Fragestellungen wurde eingegangen. 
        Zwar ist es nach Auffassung des Gerichts möglich, "dass das nationale 
        Recht eines Staates dem Verletzten einen Anspruch außerhalb völkerrechtlicher 
        Verpflichtungen gewährt, der neben die völkerrechtlichen Ansprüche des 
        Heimatstaates tritt". Entscheidender Grund für die Abweisung sei danach 
        aber das Fehlen einer Anspruchsgrundlage im deutschen Recht. "Das deutsche 
        Staatshaftungsrecht kommt in Fällen bewaffneter Konflikte nicht zur Anwendung. 
        [...] Bewaffnete Auseinandersetzungen sind nach wie vor [...] als völkerrechtlicher 
        Ausnahmezustand anzusehen, der die im Frieden geltenden Vorschriften suspendiert." 
        Für eine Entschädigung bedürfe es aufgrund der geltenden Rechtslage einer 
        Kodifizierung durch den Gesetzgeber.16 Die Klägerinnen und Kläger haben 
        beim Oberlandesgericht Köln Berufung eingelegt.17  Politischer Prozess Das ablehnende Urteil von Bonn verwundert trotz der vorliegenden Anspruchsvoraussetzungen 
        nicht. Es trägt nicht nur dem Umstand Rechnung, dass Kriege in der Machart 
        des Jugoslawien-Feldzuges für die verantwortlichen Staaten andernfalls 
        ein erhebliches finanzielles Risiko darstellen würden. Die Opfer des Bombenangriffes 
        auf Varvarin versuchen vielmehr, Recht gegen einen Angriffskrieg zu bekommen, 
        der den Menschenrechten, um deren Willen er angeblich geführt wurde, nur 
        eine marginale Rolle zubilligte. Wie aufgezeigt, blieben das absolute 
        Gewaltverbot der UN-Charta und die elementaren Sätze des internationalen 
        Kriegsrechts sowie die Normen des nationalen Verfassungs- und Strafrechts 
        während des Krieges ungeachtet, wie auch die erheblichsten Verstöße bis 
        heute ungeahndet blieben. Auch in Deutschland, dessen Regierung sich vor 
        der Weltöffentlichkeit hinsichtlich des Ständigen Internationalen Strafgerichtshofs 
        gerne als Wegbereiterin des humanitären Völkerrechts inszeniert, hat eine 
        angemessene rechtliche Würdigung des dritten deutschen Feldzuges auf serbischem 
        Gebiet nicht stattgefunden. Umso mehr dokumentiert aber jene Rechtsprechung 
        das hiesige instrumentelle Verhältnis zum humanitären Völkerrecht: Die 
        verzerrt dargestellte Lage der Menschenrechte im Kosovo war demnach Grund 
        genug, den Kriegszustand über Jugoslawien zu verhängen. Genau jener Kriegszustand 
        soll aber die Achtung der Menschenrechte wieder ausschließen, wenn später 
        die Geschädigten des Krieges Entschädigungsleistungen einfordern. Die Opfer des Krieges und ihre Rechtsbeistände bewegen sich demzufolge 
        in einem Musterprozess, dessen Ausgang stärker vom machtpolitischen Willen 
        beeinflusst zu sein scheint als von der sachgerechten Auslegung geltenden 
        Rechts.
 Stephen Rehmke studiert Jura in Hamburg. Der Autor dankt den VertreterInnen der Klage, Ilka Hoffmann, Gül Pinar 
        und Heinz-Jürgen Schneider für ihre Erläuterungen zur Klagebegründung. 
        Die Redaktion bittet um Zuschriften, die Hinweise auf weitere Möglichkeiten 
        der KlägerInnen geben können . Anmerkungen 1 Zum Weg Deutschlands in den Krieg u.a.: Schütz, Cathrin, Die NATO-Intervention 
        in Jugoslawien, 2003; Elsässer, Jürgen, Kriegslügen, 2004; Loquai, Heinz, 
        Der Kosovo-Konflikt, 2000; ders. Weichenstellungen für einen Krieg, 2003.2 Vgl. Art. 51 sowie Art. 42, 48 UN-Charta.
 3 Vgl. insgesamt u.a.: Zuck, Rüdiger, Der Krieg gegen Jugoslawien, in: 
        Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 1999, 225; Deiseroth, Dieter, 
        Der Kosovo-Krieg und das Völkerrecht, in: Neue Juristische Wochenschrift 
        (NJW) 1999, 3084; Internationales Europäisches Tribunal über den NATO-Krieg 
        gegen Jugoslawien, Urteil vom 3. Juni 2000, unter www.nato-tribunal.de/urteil.
 4 Zit. n. Jung, Rainer, Die Brücke von Varvarin, in: Frankfurter Rundschau 
        (FR) vom 14.10.2003; Förster, Andreas, Sanjas Mutter und ein Rechtsprinzip, 
        in: Berliner Zeitung vom 11.12.2003.
 5 Vgl. Art. 50 ff.; insbesondere Art. 59; Art. 51 Abs. 2, 4a, 5b; Art. 
        57 Erstes Zusatzprotokoll zu den Rotkreuzabkommen (ZP1), Bundesgesetzblatt 
        (BGBl.) 1990 II, 1551.
 6 Zit. n. Luyken, Reiner, Die Brücke, in: Die Zeit 51/1999.
 7 Elsässer, aaO., 162 ff.
 8 Art. 3 Haager Landkriegsordnung (HLKO) von 1907; Art. 91 ZP 1.
 9 Zu der bereits von der damaligen BR Jugoslawien eingereichten Klage 
        vgl. Hummer, Waldemar/Mayr-Singer, Jelka, Der Kosovo-Konflikt vor dem 
        Internationalen Gerichtshof, in: Neue Justiz 2000, 113.
 10 So Art. 4 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte 
        von 1966, BGBl. 1973 II, 1534.; Art. 15 (Europäische) Konvention zum Schutze 
        der Menschenrechte und Grundfreiheiten von 1950, BGBl. 1952 II, 686.
 11 Ausführlich Graefrath, Bernhard, Schadensersatzansprüche wegen Verletzung 
        humanitären Völkerrechts, in: Humanitäres Völkerrecht 2001, 110 
        f.
 12 Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13.05.1996, NJW 
        1996, 2717 ff.
 13 Urteil des BGH vom 26. Juni 2003 (Aktenzeichen III ZR 245/98).
 14 Große Anfrage der PDS vom 28.03.2001, 14. Wahlperiode, Drucksache 14/5677.
 15 Vgl. auch hier Graefrath, Bernhard, Wie stark ist das Recht auf Leben?, 
        in: Marxistische Blätter 6/2003.
 16 Urteil des LG Bonn vom 10. Dezember 2003 (Az. 1 O 361/02).
 17 Weitere Informationen und Schriftsätze zur Klage unter: www.nato-tribunal.de/varvarin.
 |  |