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Viel Lärm um nichts?   Heft 1/2005
Genethik -
Welches Wissen verträgt der Mensch?

Seite 32
Vor dem Bundesverfassungsgericht werden Studiengebühren verhandelt  
 

Am 9. November 2004 verhandelte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in der mündlichen Anhörung das Normenkontrollverfahren zur Prüfung des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes vom 8. August 2004.
Den Antrag haben die sechs unionsgeführten Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt gestellt. Sie wenden sich damit gegen das in § 27 IV Hochschulrahmengesetz (HRG) verankerte Verbot von Studiengebühren bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss sowie die verpflichtende Einrichtung von Verfassten Studierendenschaften (§ 41 HRG). Die AntragstellerInnen machen geltend, dass der Bund mit diesen Regelungen seine Gesetzeskompetenz übersteige und das Gesetz aufgrund der fehlenden Zustimmung des Bundesrates nichtig sei.
Die Gesetzgebungskompetenz für Angelegenheiten der Hochschulpolitik ist geregelt in Art. 75 Abs. 1 Nr. 1a Grundgesetz (GG). Danach ist der Bund für die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens zuständig. Absatz 2 konkretisiert, dass ein Hochschulrahmengesetz nur in Ausnahmefällen Einzelheiten oder unmittelbar geltende Regelungen enthalten darf. Art. 75 GG verweist außerdem auf Art. 72 Abs. 2 GG. Somit sind Rahmengesetze zulässig, wenn und soweit sie zur "Herstellung von gleichwertigen Lebensbedingungen im Bundesgebiet erforderlich" sind. Die Antragsteller bestreiten dieses und fühlen sich in ihren legislativen Rechten verletzt.

Der Kampf der Gerechten?

Ein gut gelaunter Vorsitzender des zweiten Senates eröffnete am 9. November 2004 um 10 Uhr die Verhandlung. Nach einigen erstaunlich offenen Einleitungsworten und einem süffisanten Rausschmiss der Film- und BildjournalistInnen erteilte der Vorsitzende den Antragstellern das Wort mit dem Satz: "Meine Damen und Herren, was sie jetzt erleben, wird in Ihrem Leben einmalig sein: Vier Minister teilen sich 15 Minuten!"
Was folgte war eine hauptsächlich politisch geführte Debatte um die gesellschaftlichen Auswirkungen von Studiengebühren. Hierbei wurden auch verschiedene Gebührenmodelle besprochen, von denen es zumindest als fraglich erscheint, ob sie essentieller Bestandteil dieser Verhandlung sein sollten. Ersichtlich wurde daraus, dass der Begriff "Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" schwer zu subsumieren scheint.
Die AntragstellerInnen erhoffen sich von Studiengebühren eine bessere Finanzierung der Hochschulen. Angedacht und zumindest von der Hamburger Alleinregierungspartei CDU schon beschlossen ist ein Semesterbeitrag von 500 €. Dieses Geld solle allein den Hochschulen zugute kommen. GegnerInnen befürchten, dass der Staat so einen Weg suche, seine Ausgaben für die Universität zu senken, um den Landeshaushalt zu entlasten. Außerdem führen sie an, dass das Ziel der Hochschulpolitik sein müsse, die AbsolventInnenzahlen zu verbessern. Derzeit studieren nur 36 Prozent der AbiturientInnen. Sachverständige errechnen jedoch einen viel höheren Bedarf an hochqualifizierten Fachkräften.
Die Diskussion um die vorgeschriebene Einführung von Verfassten Studierendenschaften fand nur am Rande statt. Zurzeit gibt es nicht an allen deutschen Hochschulen Verfasste Studierendenschaften. Der Vertreter des Freien Zusammenschlusses der StudentInnenschaften (fzs) verdeutlichte wichtige Inhalte wie einen festen Haushalt und das Mitspracherecht in universitätsinternen Ausschüssen.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Juristisch eigentlich spannend ist die Auslegung des Begriffs der "gleichwertigen Lebensverhältnisse". Gleichwertig ist hier von gleich und einheitlich zu unterscheiden. In seinem Urteil über die Änderung des Altenpflegegesetzes entschied der Zweite Senat im Oktober 2002 im Sinne der Länder. Das Erfordernis der "Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse" sei nicht schon dann erfüllt, wenn es nur um das Inkraftsetzen bundeseinheitlicher Regelungen geht. Das bundesstaatliche Rechtsgut gleichwertiger Lebensverhältnisse sei vielmehr erst dann bedroht und der Bund erst dann zum Eingreifen ermächtigt, wenn sich die Lebensverhältnisse in den Ländern in erheblicher, das bundesstaatliche Sozialgefüge beeinträchtigender Weise auseinander entwickelt haben oder sich eine derartige Entwicklung konkret abzeichnet1.
Auch bei dem Urteil zur Juniorprofessur2 entschieden die RichterInnen mehrheitlich gegen die engen Vorgaben des Bundes. Die gerügten Bestimmungen waren jedoch sehr viel konkreter als die generelle Gebührenfreiheit des Erststudiums, und schon diese Entscheidung fällte der Senat im Juli 2004 nur mit drei zu fünf Stimmen. Die Siegesgewissheit der AntragstellerInnen ist daher vielleicht zu groß und kann durch nur eine Stimme gebremst werden. Die ersten Studiengebühren sollen dann, wenn gestattet, zum Wintersemester 2005/2006 erhoben werden.
Doch selbst ein "Nein" aus Karlsruhe wäre nur ein Sieg auf Zeit, zumal momentan offen ist, wer in Zukunft - Stichwort Föderalismuskommission - die Gesetzgebungskompetenz im Hochschulwesen haben wird. Die Studiengebühren-Debatte wird also unabhängig vom Ausgang des Verfahrens weitergehen. Kommen Studiengebühren und "Elite-Unis", wird die soziale Selektion beim Zugang zur Hochschulbildung noch weiter verschärft. Wirtschaftlich nicht verwertbare Fachbereiche werden es so immer schwerer haben, insgesamt wird es noch schwerer werden, Bildung nicht ausschließlich unter ökonomischen Gesichtspunkten zu betrachten. Doch zumindest ein bisschen Hoffnung bleibt. Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft...

Martin Bill studiert Jura in Hamburg

Anmerkungen:

1 BVerfGE 106, 62 ff.
2 NJW 2004, 2803 ff.