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Initiativen gegen Zwangsverheiratungen   Heft 2/2005
mehr Theorie wagen
Ansätze der Rechtskritik

Seite 68
 
 

In Deutschland werden immer wieder junge Frauen von ihren Eltern gegen ihren Willen verheiratet. Mit psychischem Druck und oftmals mit brutaler körperlicher Gewalt wird das Arrangement, das aus Gründen der Ehre, der Tradition oder auch aus materiellen Gründen geschlossen worden ist, durchgesetzt. Außer der Angst vor Rache und Gewalt führen auch die Unkenntnis des geltenden Rechts, ein unsicherer Aufenthaltsstatus, fehlende Sprachkenntnisse und mangelnde eigene materielle Absicherung dazu, dass sich viele Opfer nicht wehren, keinen Schutz suchen und keine Hilfe einfordern.
Es gibt in der Bundesrepublik keine gesicherten Daten über das Ausmaß der Zwangsverheiratungen. Der Berliner Senat hat auf eine Kleine Anfrage der GRÜNEN im Abgeordnetenhaus erklärt, allein in Berlin seien im Jahr 2002 ca. 230 Zwangsverheiratungen aktenkundig geworden. Auch wenn es nur wenige verlässliche Zahlen gibt, ist davon auszugehen, dass in Deutschland mindestens mehrere Tausend Opfer von Zwangsverheiratungen leben. Seit kurzem gibt es einige Ansätze, diese Verbrechen zu bekämpfen und künftig zu verhindern.
Im Juli 2003 hat die GRÜNE Bundestagsfraktion eine Anhörung durchgeführt. Dieses Fachgespräch mit mehreren VertreterInnen von Hilfseinrichtungen, Universitäten und Jugendämtern war ein erster Schritt, die Problematik der Zwangsheirat verstärkt ins gesellschaftliche Bewusstsein zu rücken. Ende 2004 hat Baden-Württemberg dann den Entwurf eines Zwangsheirats-Bekämpfungsgesetzes in den Bundesrat eingebracht, um Zwangsehen in Deutschland zu verhindern. Als Reaktion auf diese Initiative konnten sich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der rot-grünen Bundesregierung mit der Forderung durchsetzen, einen eigenen Straftatbestand einzuführen. Um Zwangsehen gesellschaftlich zu ächten und das Unrechtsbewusstsein der unmittelbar beteiligten Verwandten zu stärken, wurde Zwangsverheiratung als besonders schwerer Fall der Nötigung mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren in das Strafgesetzbuch aufgenommen.
Neben dieser staatlichen Handlungsebene ist es aber vor allem notwendig, breitere Bevölkerungskreise zu informieren und zu sensibilisieren. Seit dem 25. November 2004 führt die Frauenrechtsorganisation TERRE DES FEMMES (TdF) die Kampagne "Nein zu Verbrechen im Namen der Ehre" durch. Bereits 2002 hatte TdF auf das Problem der Zwangsverheiratungen hingewiesen. Ausführliche Informationen gibt es im Internet unter www.frauenrechte.de. Zur Bekämpfung der Zwangsverheiratungen in Deutschland sind umfangreiche Aufklärungs- und Informationskampagnen und vor allem eine neue Migrationspolitik erforderlich, die eine dauerhafte und gleichberechtigte Integration ermöglicht, erleichtert und fördert.

Ulrich B. Gensch, Hannover