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"Vive la France!"   Heft 3/2005
Hartz fear

Seite 103
 
 

freuten sich viele über das Ergebnis des französischen Referendums zum europäischen Verfassungsvertrag. Pardon? Wunderten sich andere: Wollen wir etwa keine rechtsverbindliche Grundrechtecharta, keine deutlich erweiterten Mitbestimmungsrechte des europäischen Parlaments und auch kein Fortschreiten der Integration, die begriffsimmanent immer auch eine Überwindung von Nationalismus und Faschismus bedeutet?
Nee! Sagen diejenigen, die den Verfassungsvertrag mit guten Argumenten als "neoliberale Militärverfassung" bezeichnen. In Artikel I-41 Abs. 3 verpflichten sich die Mitgliedsstaaten, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern. Hiermit werde ausdrücklich die Zielsetzung, auf globaler Ebene Kriege führen zu können, festgeschrieben. Gerade im Bereich der Außen und Sicherheitspolitik erhält das Parlament keine Mitentscheidungsrechte.
Mit dem "Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb" werde der Vorrang von Wirtschaftspolitik gegenüber Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik weiter gefestigt. Mögliche beschäftigungswirksame Maßnahmen wie z. B. die Harmonisierung der Unternehmenssteuern werden nicht getroffen. Der Verfassungsvertrag berge also lediglich das Potential zur Überwindung der noch in den Mitgliedsstaaten bestehenden sozialen Standards, und demokratischer Legitimation sowie der pazifistischen Elemente des europäischen Gedankens.
Aber, was habt ihr jetzt davon, könnte man fragen. Dann wird der europäische Markt eben auf Grundlage der Verträge von Nizza weiter ausgebaut, und auch für eine zunehmende Militarisierung braucht man keinen Vertrag, auf dem "Verfassung" steht. Dann gibt es halt keine ausgehöhlten sozialen Grundrechte, sondern gar keine. Und lehrt uns die Geschichte der EU nicht sowieso, dass viele Schweinereien zur Not auch ohne rechtliche Grundlage verwirklicht werden?
Ist die Ablehnung also nicht eher ein symbolischer Sieg? Wen oder was repräsentieren die Nein-Stimmen, Ausdruck von Kritik auch an spezifischen Problemen auf der nationaler Ebene (in Deutschland wird die SPD abgewählt, in Frankreich eben die Verfassung und damit eigentlich auch Chirac ( und keine/r denkt darüber nach, was dann stattdessen kommt), getragen von einer eher diffusen Angst vor dem "bürokratischen Wasserkopf", "Globalisierung" und polnischen Klempnern?
Oder birgt die Protestbewegung auch ein emanzipatives, konstruktives und kapitalismuskritisches Potential und damit Ansätze zur Verwirklichung eines pazifistischen, feministischen und sozialen Europas? Als ersten Schritt auf dem langen Weg dahin sollte man die Ergebnisse der Referenden und folgenden Diskussionen ( schon aus Zweckoptimismus ( vielleicht deuten.

Maike Hellmig, Köln