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Sammelsurium   Heft 3/2005
Hartz fear

Seite 105
 
 

"Die universitäre Ausbildung

dient überwiegend der Anhäufung möglichst flächendeckenden Wissens in möglichst vielen examensrelevanten Fächern. Für eine methodisch bewusste, vertiefende Durchdringung des Rechtsstoffs unter Einbeziehung seiner historischen, philosophischen, sozialen und wirtschaftlichen Grundlagen bleibt keine Zeit. Das unkritische Auswendiglernen von Lehrmeinungen und eine eher dressurmäßig als methodenbewusst eingepaukte, allein auf das Examen ausgerichtete Klausurentechnik lassen das Kritik- und Reflexionsvermögen der angehenden Juristen systematisch verkümmern." So heißt es im Programmtext der siebten wissenschaftlichen Fachtagung des Forum Justizgeschichte e.V. mit dem Titel "Juristenausbildung - kritisch besichtigt", die vom 1. bis 3. Oktober 2005 in der Deutschen Richterakademie in Wustrau am Neuruppiner See stattfindet. StudentInnen, RefrendarInnen und andere Interessierte sind eingeladen zu den Vorträgen und Diskussionen über die erschreckend kontinuierliche deutsche JuristInnen-Ausbildung im 20. Jahrhundert mit ihren fatalen Auswirkungen: "Unsere Juristen durchlaufen nahezu dieselbe Ausbildung, von der schon die Juristen der Jahre 1913, 1933 und 1953 ihre Prägung erhalten hatten. Darüber, dass technische Berufsqualitäten auch ins Gegenteil umschlagen können, erfahren sie nichts. Die Bereiche der Rechtsgeschichte, Rechtsphilosophie und Rechtssoziologie sind fast vollständig ausgeklammert. Auch die Bemühungen um eine Ausbildungsreform gehen in die Richtung des rasch "durchentscheidenden" und wenig reflektierenden Rechtstechnokraten." Auch die Frage, wie bzw. ob "unter den Bedingungen des universitären Massenbetriebs und der zunehmenden Ökonomisierung der Universitäten" überhaupt eine echte Reform der Ausbildung erreicht werden kann, soll diskutiert werden. Per E-Mail an tagung@forum-justizgeschichte.de können kritische JuristInnen sich anmelden. Mehr Information zum Veranstalter unter www.forum-justizgeschichte.de.

Einer Basisbibliothek

in Sachen Theorie, die zentrale Themen linker Debatten zusammenfasst und so die (Wieder-) Aneignung verschütteten Wissens ermöglichen soll, widmet sich theorie.org. 2004 erschien beispielsweise mit "Kritik der politischen Ökonomie" von Michael Heinrich (234 S., 10 €), eine sehr lesenwerte Einführung in das Marxsche "Kapital". Daneben gibt es Publikationen zu den Themen "Feministische Theorie", Situationistische Revolutionstheorie", "Internationalismus" und "Trotzkismus", für 2005 sind weitere zu "Westlicher Marxismus" und "Anarchismus" angekündigt. Zu jedem der Bücher können online (www.theorie.org) zusätzliche Informationen abgerufen werden.

Der nächste BAKJ-Kongress

findet im Wintersemester 2005/2006 in Münster statt, angepeilter Termin ist vom 25.(27. November 2005 - vormerken! (www.bakj.de)

"Im Felde unbesiegt"

ist die deutsche Bundeswehr nach 50 Jahren ihrer Existenz (Titelseite der tageszeitung vom 7.6.2005). Dieses und andere Jubiläen werden 2005 mit viel Brimborium gefeiert - los ging es am 7. Juni anlässlich des 50 Jahrestages der Gründung des Verteidigungsministeriums. Unter anderem stehen noch folgenden Veranstaltungen auf dem Programm: Treffen der NATO-Verteidigungsminister in Berlin (13.(15. September), Zapfenstreich am Kölner Dom (22. September), "15 Jahre Armee der Einheit" (Erfurt, 4. Oktober; gemeint ist die "Fusion" von Bundeswehr und NVA), Zentrale Jubiläumsveranstaltung mit großem Zapfenstreich am Berliner Reichstag (26. Oktober), Feierliches Gelöbnis in Bordenau (12. November; die Stadt ist Geburtsort des preußischen Heeresreformers Scharnhorst).
Zu feiern gibt es in der Tat einiges: Die Bundeswehr hat sich zur "Interventionsarmee" gemausert, die laut Verteidigungsminister Struck die deutsche Freiheit auch am Hindukusch verteidigt, deutsche Rüstungsexporte boomen wie noch nie, und der erfolgreichen Remilitarisierung der deutschen Außenpolitik unter Rot-Grün könnte schon bald der legale Einsatz der Streitkräfte im Innern folgen. Von weiteren völkerrechtswidrigen Angriffskriegen ganz zu schweigen - deren Möglichkeit deutete Struck schon einmal an: "Die Bundeswehr wird zu einer Armee im Einsatz überall auf der Welt, wenn die Vereinten Nationen, die NATO [!] oder die Europäische Union [!] sich dazu entscheiden" Gegen den militaristischen Taumel organisieren verschiedene Gruppen Widerstand, Informationen zu geplanten Aktionen gibt es zum Beispiel auf www.wiederentwaffnung.de.vu oder www.imi-online.de.

Der Grundrechte-Report 2005

ist im Handel erhältlich (256 Seiten, 9,90 €). Der vom BAKJ zusammen mit acht anderen Organisationen herausgegebene "alternative Verfassungsschutzbericht" dokumentiert seit 1997 jedes Jahr staatliche Verstöße gegen BürgerInnen- und Menschenrechte in Deutschland.
Vor dem Hintergrund eines autoritären Neoliberalismus nehmen Grundrechtsverletzungen, insbesondere zu Gunsten der Sicherheit (im "Anti-Terrorkampf") nicht nur zu, sondern sie erreichen auch eine neue Qualität. "Highlight" des vergangenen Jahres war bekannter Maßen das erschreckend niedrige Niveau gesellschaftlicher Zivilität, das die Folter-Debatte ans Licht brachte (zum "Fall Daschner" siehe Mushoff, Forum Recht 2003, 97). Bei der Vorstellung des Reports in Berlin am 23. Mai, dem Tag des Grundgesetzes, klagte der Leiter des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Heiner Bielefeldt, die vor kurzem noch undenkbare Folter werde nun diskutabel. "Was nicht mehr in Frage gestellt werden darf, wird wieder in Frage gestellt: das Folterverbot etwa". Der Report thematisiert daneben in seiner Sammlung von Einzelfällen und Analysen unter anderem das Luftsicherheitsgesetz, die zunehmenden Gefährdungen jeglichen Datenschutzes, den erzwungenen Brechmitteleinsatz bei (mutmaßlichen) Drogendealern und die pauschale Briefkontrolle in Gefängnissen. Auch die zunehmende Einschränkung sozialer Grundrechte durch Hartz IV kommt zur Sprache.