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Schwerpunkt   Heft 2/2006
Zwischen Wir und Ich:
Europäische Idee und nationale Interessen
Seite 38
Europäische Idee und nationale Interessen  
 

Die Europäische Union steckt in einer Krise. Der Verfassungsprozess stockt, der Enthusiasmus hinsichtlich der erfolgten und anstehenden Erweiterungen ist verflogen und das Tagesgeschehen wird oft beherrscht vom Gezerre um Geld und nationale Einzelinteressen.
Zum schlechten Ansehen und der verbreiteten Europamüdigkeit tragen die Mitgliedstaaten auf diese Weise erheblich bei. Im Erweiterungsprozess und bei der Integration der mittel- und osteuropäischen Staaten kehrt die Mehrheit der Politikerinnen und Politiker gerade in Deutschland die Vorteile unter den Tisch und betont die (angeblichen) Nachteile. Gleichzeitig sorgen Übergangsregelungen, z.B. im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit, dafür, dass die neuen Mitgliedstaaten keinen gleichberechtigten Status erlangen.
Eine weitere Taktik der Mitgliedstaaten ist das "Spiel über die Bande" - perfektioniert in der Bildungspolitik: "Brüssel" wird vorgeschoben, wenn es darum geht, die Struktur des Studiums hin zu Bachelor- und Masterabschlüssen umzumodeln, obwohl die Ideen und Inhalte für den Bologna-Prozess auch aus Deutschland kamen.
Das durch die beschriebenen Verhaltensweisen der Mitgliedstaaten entstehende schlechte Bild von der EU verdeckt, dass europäische Rechtsetzung zum Teil positive Impulse setzt, wofür in diesem Heft die Informationsrichtlinie, aber auch bestimmte Möglichkeiten des Wettbewerbsrechts als Beispiele dargestellt werden.
Angesichts des zwiespältigen Verhältnisses der Europäischen Union zu ihren Mitgliedstaaten taucht unweigerlich die Frage nach dem Sinn der europäischen Integration und damit nach dem, was Europa ausmacht, auf. Die Erweiterung und die weitere Vertiefung der Union werden nicht zuletzt davon abhängen, ob auf diese Fragen in absehbarer Zeit zufriedenstellende Antworten gefunden werden.