Eliu Schmitt |
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Der DAV und die Spartenausbildung | Heft
3/2006 Ausschließen durch Einschließen: Kriminalpolitik Seite 100-101 |
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Die "Anwaltsschwemme" In Reaktion auf die so genannte "Anwaltsschwemme" hat der Deutsche Anwalt
Verein (DAV) 2004 einen Vorschlag zur Spartenausbildung vorgelegt.1 Der
Begriff "Anwaltsschwemme" beschreibt plakativ die gegenwärtige Situation:
jährlich schließen etwa 10.000 Referendare und Referendarinnen erfolgreich
ihr zweites Staatsexamen ab. 60 - 80 % von ihnen entscheiden sich für
den Anwaltsberuf.2 Dies bedeutet einen Zuwachs von über 5.000 Anwälten
und Anwältinnen pro Jahr. Innerhalb der letzten zehn Jahre hat sich ihre
Zahl fast verdoppelt: waren 1994 erst 74.291 zugelassen, so waren es 2003
bereits 126.793.3 Zum Teil war dieser Anstieg durch die Wiedervereinigung
noch gerechtfertigt, heute werden die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt
für Juristen und Juristinnen jedoch immer schlechter. Ca. 17 % der neuen
Berufsanfänger und Berufsanfängerinnen geben ihre Anwaltszulassung innerhalb
des ersten Jahres zurück. Der Konkurrenzkampf wird härter. Dabei wird
auch eine "Aufspaltung" der Anwaltschaft beklagt:4 auf der einen Seite
steht das "Anwaltsproletariat", bestehend aus Einzelanwälten und Einzelanwältinnen.
Im Schnitt wird hier ein Gehalt von 29.000 Euro brutto jährlich verdient.5
Auf der anderen Seite stehen Anwälte und Anwältinnen, die in großen Sozietäten
arbeiten: sie verdienen im Schnitt mit 59.000 Euro brutto doppelt so viel.6
In internationalen Großkanzleien können Berufsanfänger und Anfängerinnen
gar mit Einstiegsgehältern von mindestens 60.000 Euro brutto rechnen.
Das Gehalt hängt stark von der jeweiligen Mandantenschicht ab: während
sich etwa mit Ausländerrecht in der Regel kaum Geld verdienen lässt, sind
international agierende Unternehmen fähig und bereit, mehrere hundert
Euro pro Anwaltsstunde zu bezahlen. Der Reformvorschlag des DAV Neben dem Problem der "Masse" der Berufsanfänger und Berufsanfängerinnen
wird vom DAV deren mangelnde Qualifikation beklagt. Die Juristenausbildung
ist am Richterberuf ausgerichtet; wie man sich als Unternehmer am Rechtsdienstleistungsmarkt
behauptet, ist kaum Thema. Der DAV schlägt deswegen die sog. Spartenausbildung
vor: nach dem ersten Staatsexamen soll die Ausbildung der Justizberufe
und der Anwaltschaft getrennt erfolgen.8 Das klassische Referendariat
wird es dann nur noch für diejenigen Kandidaten und Kandidatinnen geben,
die eine Laufbahn in der Justiz oder Verwaltung anstreben. Die Ausbildung
der zukünftigen Anwälte und Anwältinnen soll der Anwaltschaft überlassen
bleiben. Für diesen Vorschlag spricht laut dem DAV so einiges: die neuen
Kandidaten und Kandidatinnen sollen besser auf ihren Beruf als Anwalt
oder Anwältin vorbereitet werden.9 Sie würden gezielt lernen, als Anwalt
zu arbeiten. Im Gegenzug wäre ihnen die Qualifikation zum Richteramt verwehrt.
Auch würde der Staat durch die Spartenausbildung einiges an Kosten sparen,
denn er müsste deutlich weniger Referendare ausbilden als bisher.10 Einheitsjurist kontra Spartenjurist Aber auch neben diesem Argument gibt es erhebliche Bedenken: möchte man
die Einheitsausbildung - und damit den Einheitsjuristen - wirklich aufgeben?
Wer möchte nach dem ersten Staatsexamen wirklich schon entscheiden müssen,
ob er Richter oder Richterin werden möchte? Das Referendariat erlaubt
ein Reinschnuppern in die verschiedenen Berufe, im Studium wird derartiges
nicht angeboten. Die wenigen Pflichtpraktika erlauben kaum einen auch
nur oberflächlichen Einblick. Das Einheitsreferendariat macht die Berufswahl
deutlich fundierter, indem es den Absolventen und Absolventinnen erst
einmal die Möglichkeiten aufzeigt, die ihnen offen stehen. Kosten der Ausbildung Auch die Frage, ob die Anwaltschaft tatsächlich alle Kosten der Ausbildung
tragen wird,14 muss kritisch hinterfragt werden: bereits heute bietet
der DAV ein referendariatsbegleitendes Anwaltsausbildungsprogramm an,
bei dem die Referendare oder Referendarinnen über die Referendariatsausbildung
hinaus eine gründliche Vorbereitung auf den Anwaltsberuf erhalten sollen.15
Dies ist sicherlich keine schlechte Einrichtung, schlägt jedoch bereits
heute mit 2.250 Euro für den Auszubildenden oder die Auszubildende zu
Buche.16 Die Spartenausbildung: Eine Hydra? Die Spartenausbildung bereitet eine Vielzahl von Problemen. Der Vorschlag
des DAV würde die Situation wohl nur schwieriger machen als sie es sowieso
schon ist. Die Anwaltsausbildung allein in die Hände der Anwaltschaft
zu geben erscheint absurd, eine staatliche Regelung der Ausbildungsplätze
kaum praktikabel: der Einfluss des Staates auf Ausbildungsplätze war immer
ein eher zweitrangiger. Warum die Ausbildungsplatzfrage beim Anwaltsberuf
besser regelbar sein sollte als in anderen Branchen, ist allerdings nicht
ersichtlich. Eine Anwaltsausbildung ohne die direkte Beteiligung der Anwaltschaft
als Ausbilder wird hingegen kaum Sinn machen. Eliu Schmitt promoviert in Göttingen Anmerkungen: 1 Vorschläge des DAV zur Reform der Juristenausbildung (Spartenausbildungsmodell).
Vom Vorstand des DAV am 22./23. Sept. 2004 verabschiedete Fassung. Vgl.:
www.anwaltverein.de/anwaltausbildung/modell.pdf (Im Folgenden: DAV Vorschlag).
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