Heft 2 / 1999:
Zensur Macht Meinung
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Lena Dammann
Lügendetektoren als Beweismittel ungeeignet
 

Mit Beschluß vom 17. Dezember 1998 hat der erste Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BHG) entschieden, daß Lügendetektorverfahren als Beweismittel "völlig ungeeignet" sind. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Einsatz von Lügendetektoren in Strafverfahren haben die Richter hingegen nicht mehr, sofern der/die Angeklagte sich dem Test freiwillig unterzieht.
Bei Lügendetektortests werden dem/der Beschuldigten bestimmte Fragen gestellt und währenddessen seine Körperreaktionen wie zum Beispiel Atmung, Schweißabsonderung und Blutdruck durch einen Polygraphen aufgezeichnet. Die Tests beruhen damit auf der Annahme, daß diese Reaktionen Rückschlüsse auf die Glaubwürdigkeit des/der Beschuldigten zuließen. Es ist jedoch nach einhelliger wissenschaftlicher Auffassung nicht möglich, von bestimmten körperliche Reaktionen auf ein bestimmtes Bewußtsein zu schließen.
Psychophysiologische Gutachten können anhand von zwei unterschiedlichen Frageverfahren ermittelt werden: den Kontrollfragen- und den Tatwissentests. Dabei bestehen in Bezug auf beide Verfahren Bedenken.
Kontrollfragentests sind so konzipiert, daß zum einen direkt die Tatbegehung betreffende Fragen gestellt werden und zum anderen sogenannte Kontrollfragen. Dabei wird von der Prämisse ausgegangen, daß ein Täter auf jene Fragen, die die Tatbegehung betreffen, aus Furcht vor Bestrafung mit stärkerer Erregung reagiert als auf die Kontrollfragen, während sich dies beim Nichttäter umgekehrt verhält. Dabei werde jedoch verkannt, so der BGH, daß der zu Unrecht Beschuldigte in gleichem oder noch stärkerem Maß befürchten kann, das gegen ihn geführte Verfahren werde strafrechtliche und sonstige Folgen (z. B. Verlust des Arbeitsplatzes) haben. Der Erregungsgrad von Täter und Nichttäter könne also theoretisch gleich sein.
Im Tatwissentest werden werden der Testperson auf Fragen zur Tat mehrere Antworten vorgegeben, unter ihnen jeweils auch die, die nach dem Ermittlungsergebnis die richtige ist. Dabei wird davon ausgegangen, daß TäterInnen bei den richtigen Antworten eine stärkere innere Erregung zeigen. Der Tatwissentest kann daher nur funktionieren, wenn der/die Beschuldigte noch nicht weiß, welche Tat ihm/ihr zum Vorwurf gemacht wird. Ansonsten würden auch unschuldige Testpersonen diesem Wiedererkennungseffekt unterliegen. In der Hauptverhandlung, in der der/die Angeklagte den Tatvorwurf bereits aus der Anklageschrift kennt, kann dieses Verfahren daher schon allein aus diesem Grund nicht zur Anwendung kommen.
Das klar und überzeugend formulierte Urteil hat die trügerische Vorstellung widerlegt, ein Gerichtsverfahren könne mittels einer Wahrheitsmaschine ein naturwissenschaftliches Schiedsverfahren über wahr und unwahr sein. Die schwierige Suche nach der Wahrheit in den Gerichtssälen bleibt also dort, wo sie hingehört: in den Händen der JuristInnen und SchöffInnen.

Lena Dammann, Hamburg

Quellen:

Urteil des BGH vom 17.12.1998 (Az. 1 StR 156 und 258/98); Tagespresse v. 18.12.1998.