Heft 2 / 1999:
Zensur Macht Meinung
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Tina Stolterfoht
NRW: Fusion geplatzt
 

"Effektiv", "innovativ" und "ökonomisch richtig" nannte Wolfgang Clement, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, seine umfassende Verwaltungsmodernisierung. Auf das Kernstück derselben, der Fusion von Innen- und Justizministerium, war er besonders stolz:
Für "verfassungsrechtlich unanfechtbar" erklärte er das Superministerium, obwohl die Fusion zahlreiche GegnerInnen hatte: von Richterverbänden und Anwaltskammern über Polizeigewerkschaften und die CDU-Fraktion bis hin zum eigenen grünen Koalitionspartner. Diese sahen die Gewaltenteilung gefährdet.
Da Justiz- und Innenministerium beide zur Exekutive gehören, wäre die Fusion zwar kein Bruch mit der Gewaltenteilung im formalen Sinn. Vielmehr führte sie zu einem institutionalisierten Konflikt: Der oberste Dienstherr der Polizei wäre gleichzeitig der des Justizapparates - und dessen Aufgabe ist es wiederum, die Organe der Exekutive zu kontrollieren. Das Landesverfassungsgericht (LVerfG) in Münster machte Clement beim "Two-in-one"-Projekt nun vorerst einen Strich durch die Rechnung. Allerdings stützten die Verfassungsrichter ihre Entscheidung vom 09. Februar 1999 lediglich auf formale Gründe:
Die Rechte des Landtags seien beschnitten, weil der Regierungschef seine Organisationsgewalt bei der Kabinettsbildung überschritten habe. Denn Clement hatte die Fusion einsam per Regierungserlaß angeordnet. Bei einer solch weitreichenden Entscheidung jedoch hätte das Landesparlament beteiligt werden müssen, so das Gericht: "Die Tragweite einer Fusion für die Stellung der Rechtsprechung verlangt eine Diskussion vor den Augen der Öffentlichkeit".
Das Urteil beruft sich damit auf den von der Rechtsprechung entwickelten "Wesentlichkeitsgrundsatz", nach dem die "wesentlichen" Entscheidungen für das Gemeinwesen durch Parlamentsgesetz getroffen werden müssen. "Wesentlich" ist eine Angelegenheit dann, wenn sie die Grundrechte der BürgerInnen oder Verfassungsprinzipien berührt, wenn sie grundlegende Bedeutung für das Gemeinwesen hat oder politisch tief umstritten ist. Im Klartext: Es endet die Macht und Herrlichkeit des Ministerpräsidenten, wo er "mit der verfassungsrechtlich gewachsenen Tradition [bricht]", auf der die Trennung von Justiz- und Innenministerium beruhe, so das LVerfG. Clement müsse eine Mehrheit im Landtag finden, um sein Superministerium durchzusetzen.
Eher zähneknirschend versprach Clement nun, die Ressorts wieder "glasklar zu trennen". Reformunwilligkeit und berufsständischen Geist wirft er den Richtern vor. Denn er soll kostengünstig, modern und schlank sein, der neue Staat, dynamisch und sparsam darin "Justitia light".
Fürs erste jedoch ist das Prinzip des Rechtsstaats vor der Logik des Geldes bewahrt geblieben.

Tina Stolterfoht, Hamburg

Quellen:

Urteil des Landesverfassungsgerichts Münster vom 09.02.1999; Tagespresse v. 10. und 11.02.1999