Heft 3 / 2001:
Datenspuren
Überwachung in der digitalen Welt
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Schon heute die Beweise von morgen sichern
 

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat sich in seinem Beschluss vom 14. Dezember 2000 erstmals zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes (DNA-IFG) geäußert, die die rechtiche Grundlage für die Feststellung und Speicherung des "genetischen Fingerabdrucks" sind. Das Gesetz wurde für mit der Verfassung vereinbar erklärt, es wurde aber auch auf Grenzen und Einschränkungen hingewiesen.
Der "genetische Fingerabdruck" wird durch die Entnahme einer Zellprobe, meistens mittels Speichels, genommen und erlaubt es, mit einer Wahrscheinlichkeit von 100 Millionen zu eins eine Übereinstimmung zwischen dem ermittelten DNA-Code der untersuchten Person und etwaigen Spuren am Tatort festzustellen. Dabei handelt es sich um eine präventive Maßnahme, denn mit Hilfe der Daten des "genetischen Fingerabdrucks" soll die Beweisführung in künftigen Strafverfahren erleichert werden.
Das umstrittene DNA-IFG vom Mai 1998 und § 81g Strafprozessordnung regeln die Feststellung und Verwendung der Daten bei verurteilten StraftäterInnen. Voraussetzung und Anknüpfungspunkt für die Speicherung des DNA-Identifizierungsmusters ist eine begangene "Straftat von erheblicher Bedeutung"- ein schwammiger Begriff, wie die BeschwerdeführerInnen vorbrachten. Außerdem muß eine gerichtliche "negative Sozialprognose" vorliegen, d.h. es müssen auch künftig schwere Straftaten zu befürchten sein.
Die Karlsruher RichterInnen haben die Gen-Dateien nun zwar für grundsätzlich verfassungsgemäß erklärt, dabei aber auch die Einschränkungen betont: Demnach reicht eine schlicht formelhafte Anordnung der Feststellung des "genetischen Fingerabdrucks" nicht aus. Das Gericht muss vielmehr eine ausführliche Einzelfallprüfung und eine sorgfältige Sachaufklärung vornehmen, um die "negative Sozialprognose" zu beründen.
Problematisch ist nicht nur der mit der Zellprobenentnahme verbundene Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, sondern auch die drohende Gefahr der Erstellung eines Persönlichkeitsprofils des/ der Betroffenen, zum Beispiel hinsichtlich Erbanlagen, Charaktereigenschaften oder Krankheiten. Desweiteren ist zu Bedenken, daß ja eine "vorsorgliche Beweissicherung" für noch gar nicht begangene Straftaten stattfindet.
Mit dem Hinweis auf die strengen Anforderungen an die Feststellung und Verwendung des "genetischen Fingerabdrucks" hat das BVerfG einen Versuch unternommen, die "Sammelwut" des Bundeskriminalamtes einzuschränken - 72.000 Personen umfasst dessen Gen-Datei bereits.

Maximilian Warntjen, München.

Quellen:

BVerfG, 2 BvR 1741/99, vom 14.12.2000; 2 BvR 1841/00, vom 15.3.2001, www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen; Rath/Brinkmann, NJW 1999, 2679; Kerscher, SZ vom 19.1.2001.