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       Besser spät als nie: Im Mai hat der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, 
        mit dem Urteile aufgehoben werden , die in der NS-Zeit gegen Wehrmachtsangehörige 
        wegen Desertion, Fahnenflucht und "Wehrkraftzersetzung" sowie gegen Homosexuelle 
        aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung ergangen sind. Damit schloss der 
        Bundestag mehr als ein halbes Jahrhundert nach Ende des zweiten Weltkrieges 
        eine Lücke im Gesetz zur Aufhebung von NS-Unrechtsurteilen. Gleichzeitig 
        gab er eine Ehrenerklärung für die Betroffenen ab. Das besondere hieran 
        ist, dass sämtliche Urteile pauschal aufgehoben wurden. Damit wird das 
        bisher geltende Prinzip der Einzelfallprüfung aufgegeben, bei der die 
        Beweislast, dass eine Person zu Unrecht verurteilt worden ist, bei ihr 
        selbst lag, was von den Opfern immer wieder als Verhöhnung und Missachtung 
        des erlittenen Unrechts beklagt worden war.  
        Das Gesetz wurde mit den Stimmen von SPD, Bündnis90/Grüne und PDS verabschiedet. 
        FDP und CDU stimmten dagegen. Dies wurde unter anderem damit begründet, 
        dass Desertion auch in demokratischen Staaten verboten ist. Zusätzlich 
        gaben die beiden Parteien noch weitere Stellungnahmen ab: Während ein 
        Sprecher der FDP sich lediglich von "Aktionismus und Symbolik" irritiert 
        sah, kämpfte die Union ein weiteres mal gegen Nestbeschmutzung. Sie widersetzte 
        sich einer "Verklärung der Fahnenflucht" und beklagte, dass die Pauschalisierung 
        verschiedene Gefahren in sich berge. Erstens könnten auch mögliche Kriminelle 
        rehabilitiert werden. Zweitens werde neues Unrecht geschaffen, da sich 
        nun Soldaten, die bis zum Ende des Krieges bei der Wehrmacht geblieben 
        seien, pauschal an den Pranger gestellt fühlen müssten. Was ausgerechnet 
        bei einer ganz normalen Armee, in der, wie wir alle wissen, jeder nur 
        seine Pflicht getan hat, mehr als empörend ist. 
        Grundsätzlich ist der Beschluss zu begrüßen, doch bleiben Fragen offen. 
        Einerseits hat sich der Bundestag nicht zur bis 1969 anhaltenden Strafverfolgung 
        von Homosexuellen geäußert, die im Strafmaß weniger drakonisch gewesen 
        sein mag, im Kern jedoch dieselbe "Straftat" betraf. Zusätzlich betonen 
        Überlebende beider Opfergruppen, dass für sie zwar ein Traum in Erfüllung 
        gegangen sei - gleichzeitig beklagen sie jedoch zu Recht, dass dies so 
        lange gedauert hat, dass fast alle ihre Leidensgenossen vorbestraft gestorben 
        sind.  
      Tillmann Löhr, Göttingen 
         
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