Heft 4 / 2002:
Aus dem Westen was Neues
Interessenpolitik durch Rechtsexport
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Fragwürdige Vernehmungsmethoden in Bayern
 

Seit letztem Jahr zählt die "Reid-Methode" zur Polizeiausbildung in Bayern. Dies ist eine aus den USA stammende Vernehmungsmethode, die von einem kommerziellen Unternehmen vertrieben wird. Ausgangspunkt ist die Annahme, der/die Vernehmende könne bereits zu Beginn eines Verhörs anhand konkreter Hinweise ermitteln, ob die vernommene Person die Wahrheit sagt. Dazu wird mit ihr ein "Verhaltens-Analyse-Interview" durchgeführt, in dessen Verlauf ihr Verhalten analysiert wird. In dem 600 Seiten starken Handbuch zur Methode werden verbale wie nonverbale Hinweise aufgeführt, die auf Lügen schließen lassen, wobei Körpersprache und Gesprächsverhalten aufgegriffen werden. Ist die Vernehmungsperson überzeugt, ihr Gegenüber lüge, folgt sie vorgeschriebenen Mustern, um ein Geständnis zu erreichen. Bemerkenswert sind dabei zwei Elemente.
Entweder gibt sie der vernommenen Person moralische oder psychologische Rechtfertigungen an die Hand, um deren persönliche Verantwortung zu minimieren und das angenommene Geschehen zu verharmlosen. Knickt die vernommene Person ein, wird der Sachverhalt seines rechtfertigenden Charakters entkleidet, die Handlungen beim Namen genannt und die entsprechenden Delikte für das Protokoll festgehalten.
Oder es wird ein anderes Element verwandt: der vernommenen Person wird eine erdrückende Beweislage vorgespiegelt, so dass sie davon ausgehen muß, Leugnen sei müßig. Dafür darf die vernehmende Person laut Reid ausdrücklich Beweislagen erfinden, die in Wahrheit nicht existieren.
Bereits der Ansatz dieser Methode ist verfehlt. Denn in der sozialpsychologischen Forschung herrscht Einigkeit darüber, dass verallgemeinerbare Symptome für die Frage, wann eine Person lügt, nicht existieren. Weiterhin betonen BefürworterInnen dieses Ansatzes zwar, dass sie in Deutschland entsprechend der Strafprozeßordnung (StPO) umgesetzt werde. Offen bleibt aber, wie das gehen soll in einer Verfahrensordnung, die in § 136a - als Konkretisierung von Art 1 I Grundgesetz - das bewußte Täuschen der vernommenen Person verbietet. Zuletzt ist kriminalistisch erwiesen, daß es generell in Zwangslagen zu falschen Geständnissen kommen kann. Die "Reid-Methode" birgt diesbezüglich extreme Gefahren, da die Schuld zu Beginn des Gespräches bei positivem Ergebnis des "Verhaltens-Analyse-Interviews" bereits "feststeht" und anschließend nur noch nachgewiesen werden muß.
Unseriös und gefährlich - kein Wunder, daß das nach Bayern derzeit zweitsicherste Bundesland da nicht hintanstehen möchte: Udo Nagel, Hamburgs Innenminister unter Ronald Schill, hat bereits angekündigt, sich für Schulungen auch in seiner Stadt einzusetzen.

Tillmann Löhr, Göttingen