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Vertreibung von Bauwagenplätzen als "wertmindernde Wohnform"   Heft 1/2003
Szenen einer Ehe
Zum Verhältnis von Recht und Macht

Seite 30
   
 

Schwere Zeiten für alternative Wohn- und Lebensformen: In Hamburg und Berlin müssen BauwagenbewohnerInnen nach einer neuen Bleibe suchen.
Die Berliner Wagenburg "Kultur- und Wohnprojekt Schwarzer Kanal e.V." muss nach zwölf Jahren ihren Platz im Stadtteil Friedrichshain aufgeben, denn auf diesem Grundstück plant die Baufirma Hochtief, trotz der zahlreichen leerstehenden Büroräume in der Umgebung, ein Bürogebäude. Hier soll die Bundeszentrale der Gewerkschaft Verdi im Sommer 2004 einziehen.
Nach Gesprächen mit BewohnerInnen des Schwarzen Kanals, VertreterInnen von Verdi, der Firma Hochtief und der Berliner Senatsverwaltung bot Hochtief den WagenburgbewohnerInnen für zweieinhalb Jahre ein Ersatzgrundstück an. Dieses Angebot sollte die von Verdi gefürchtete schlechte Presse bei einer gewaltsamen Räumung verhindern und vor Allem einen Zeitverlust durch ein vom Schwarzen Kanal angedrohtes, gerichtliches Verfahren gegen eine Räumung vermeiden.
Beim Umzug der Wagenburg kam es jedoch zu massivem Widerstand der neuen Nachbarn, dem Deutschen Architektur Zentrum (DAZ). Diese klagten erfolgreich vor dem Verwaltungsgericht gegen die Zuweisung des Platzes durch die Behörde. Die ArchitektInnen fürchten eine "Verslumung". Das Gericht bestätigte sie in ihrer Furcht vor einer "wertmindernden Wohnform" in der Nachbarschaft.
Bis April 2003 muss der Schwarze Kanal nun den neuen Platz räumen. Laut Gericht seien Wohn- und Bauwagen zum dauernden Wohnen ungeeignet und keine Gebäude im Sinne der Baunutzungsverordnung.

Anders in Hamburg: Dort sind Wohnwagen, laut Hamburgischem Wohnwagengesetz von 1999, auf zugelassenen Wohnwagenstandplätzen, Wohnungen im Sinne des Hamburgischen Meldegesetzes. Auf Antrag kann die Behörde solche Plätze zulassen, soweit die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht gefährdet ist. Diese Gefahr sieht Hamburgs Innensenator Schill (Partei Rechtsstaatlicher Offensive) von allen Bauwagenplätzen ausgehen, da es sich hier "um rechtsfreie Räume handelt, die es zu beseitigen gilt". Dieser Politik sind in den letzten Wochen bereits Bauwagenplätze zum Opfer gefallen.
Starke Proteste von DemonstrantInnen gegen die Vertreibung der Bauwagen formierten sich nach der Räumung des Bauwagenplatzes "Bambule" im Hamburger Karolinenviertel. Der Hamburger Senat reagierte auf die Proteste mit massivstem Polizeiaufgebot aus dem gesamten Bundesgebiet. Friedliche DemonstrantInnen wurden verprügelt, stundenlang eingekesselt und zahlreich verhaftet. Schill will seinen Eskalationskurs weiter fahren, da "Deeskalation wie in früheren Zeiten, diesen Menschen nur Lust auf Gewalt macht". Ein gerichtliches Verfahren gegen das polizeiliche Eingreifen ist anhängig.

Maja Kreßin, Hamburg