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  Annelie Jaschinski   Forum Recht Home
Und bist du nicht willig, so ...   Heft 2/2003
Ohne Substanz
Drogenpolitik

Seite 64
 
 

Die Drohung des Frankfurter Vize - Polizeipräsident Wolfgang Daschner gegenüber einem Verdächtigen Gewalt anzuwenden, wenn er den Aufenthaltsort des von ihm entführten Kindes nicht preisgebe, löste eine Diskussion über das Folterverbot aus.
Erschreckenderweise wurde im Zuge dieser Diskussion deutlich, dass das Folterverbot nicht mehr zum Grundkonsens gehört.
"Menschliches Verständnis" für das Verhalten Daschner`s tun Ministerpräsident Roland Koch (CDU) und der Rechtsausschuss-Vorsitzende Andreas Schmidt (CDU) kund. Auch Geert Mackenroth, Vorsitzender des Deutschen Richterbunds, sprach öffentlich davon, dass in gewissen extremen Fällen Folter "erlaubt" sein könne, z.B. bei Verhinderung von Terroranschlägen. Man liest juristische Fachbegriffe wie " übergesetzlicher Notstand" zum" Schutz höherwertiger Rechtsgüter".

Wozu diese ganze Aufregung, wenn doch die Rechtslage eindeutig ist.
Die Berufung auf einen "übergesetzlichen Notstand" als Entschuldigungsgrund ist im Fall Daschner`s grundsätzlich verfehlt. Der Vize - Polizeipräsident als ausführende Staatsgewalt kann sich nicht auf Notstandsregelungen beziehen, denn diese gelten nur für Zivilbürger. Der Staat als Gewaltmonopol kann Gefahren für die Rechtsgüter seiner Bürger zwar mit Gewalt abwehren, muss sich aber gerade weil er in Grundrechte eingreifen kann auch genaueren Regelungen unterwerfen.
Gemäß Art. 104 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) dürfen festgehaltene Personen weder seelisch noch körperlich misshandelt werden. Hierbei wird das allgemeine Gebot der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG konkretisiert. Art. 104 GG ist die Grundlage für einfache gesetzliche Regelungen in den Landespolizeigesetzen und in der Strafprozessordnung.
Nach dem hessischen Gesetz über Sicherheit und Ordnung (HSOG) ist gem. § 52 II unmittelbarer Zwang zur Abgabe einer Erklärung ausgeschlossen. Dies schließt eine Androhung von körperlichem Zwang ein. Nach 12 IV HSOG gilt für polizeiliche Befragungen § 136 a Strafprozessordnung (StPO) entsprechend. § 136 a StPO verbietet bestimmte Vernehmungsmethoden im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, die die Freiheit der Willensbeeinträchtigung und der Willensentschließung des Beschuldigten beeinträchtigen. Dazu zählt die Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme.
Des weiteren verbieten die Anti - Folterkommission und die Europäische Menschrechtskonvention dem Staat Folter anzudrohen bzw. auszuführen, denn Folter, in welcher Form, in welchem Zusammenhang und gegen wen auch immer durchgeführt, verletzt den unantastbaren Kern der Würde des Menschen.
Menschenrechte sind kein Geschenk großzügiger Realpolitik, sondern die Substanz einer menschlich erkämpften Leidensgeschichte. Werden sie auch nur für den Einzelfall in Frage gestellt, wird dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.

Annelie Jaschinski, Berlin