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  Aline Oloff   Forum Recht Home
Haushaltskonsolidierung zu Lasten der Kinder erwerbsloser Eltern   Heft 2/2003
Ohne Substanz
Drogenpolitik

Seite 65
 
 

Die Stadt Dresden sieht sich in Zeiten leerer Kassen dazu gezwungen, das Angebot an öffentlich geförderter Kinderbetreuung für Kinder ohne Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz (vor dem drittem Lebensjahr und ab Schuleintritt) zu reduzieren und hat im Dezember 2002 per Stadtratsbeschluss Kriterien aufgestellt, die den Zugang zu Kinderbetreuung in Krippen und Horten regeln sollen. In Zukunft sollen die Berufstätigkeit bzw. eine Aus- und Weiterbildung der Eltern ausschlaggebend für die so genannte Bedarfsplanung sein und somit über den Erhalt eines Krippen- oder Hortplatzes entscheiden. Alleinerziehende sollen dann bei Vorliegen der genannten Kriterien vorrangig berücksichtigt werden. Die Stadt kündigte in Folge 8.300 Betreuungsverhältnisse aufgrund der Erwerbslosigkeit der Eltern.
Das Verwaltungsgericht (VG) Dresden hat diese Kündigung der Betreuungsverträge rückgängig gemacht und argumentiert, dass die Bedarfsplanung sich nicht allein an haushaltspolitischen Erwägungen orientieren dürfe, sondern vielmehr dem ganzheitlichen Betreuungs-, Bildungs- und Erziehungsauftrag, den das sächsische Kitagesetz (SächsKitaG) für alle Kinder formuliert (und dies unabhängig von ihrer familiären Situation bzw. der Arbeitslage ihrer Eltern), Folge zu leisten habe.

In der Urteilsbegründung des Dresdener VG wird die Problematik der Bedarfsorientierung deutlich, mit der die KitaG der Länder die Betreuung von Kindern unter drei Jahren und Kindern im Grundschulalter regeln und dabei offen lassen, an wessen "Bedarf" sich orientiert wird: An dem des Kindes nach Förderung durch pädagogisches Angebot und Zusammensein mit anderen Kindern? An dem der Arbeit suchenden Mutter/ des Arbeit suchenden Vaters, die flexibel auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes reagieren sollen?
Im Fall der Dresdener Stadtverwaltung mit Sicherheit nicht. Vielmehr wird hier die Tatsache der Diskriminierung - einmal der Kinder, die willkürlich von Bildungsangeboten ausgeschlossen werden; des Weiteren der Erwerbslosen (insbesondere erwerbslosen Frauen), denen es quasi unmöglich gemacht wird, wieder eine Stelle zu finden - billigend in Kauf genommen, wenn es um die Sanierung der Stadtfinanzen geht.
Das Land Sachsen-Anhalt wird übrigens in seinem neuen Kinderförderungsgesetz (!) (in Kraft seit 1. März 2003) in der Bedarfsfrage sehr deutlich und schreibt genau die Zugangskriterien, deren Rechtmäßigkeit das VG Dresden gerade anzweifelt, fest. Der Bedarf und damit der Anspruch auf einen ganztägigen Betreuungsplatz für Kinder aller Altersgruppen wird hier eindeutig an die Erwerbsarbeit bzw. die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen der Eltern gekoppelt.
In Zeiten der Pisa-Panik und des jeden Tag von neuem verkündeten Kampfes gegen die Arbeitslosigkeit eindeutige Signale...!

Aline Oloff, Berlin

Quelle: VG Dresden vom 28.01.2003, Az: 6 K 102/03