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  Klaus Hoffmann   Forum Recht Home

 

Studierende klagen erfolgreich gegen Rückmeldegebühren   Heft 3/2003
nachhaltig gestört
Das ökologisch-ökonomische Gleichgewicht

Seite 100
 
 

Das Land Baden-Württemberg hatte 1997 eine Gebühr für die Bearbeitung der Rückmeldung in Höhe von DM 100 pro Semester eingeführt. Damit sollte ein Betrag von DM 40 Mio. pro Jahr aufgebracht werden, der zuvor im Wissenschaftsressort eingespart worden war.
Insbesondere Art und Weise des Gesetzgebungsverfahrens sowie die Gesetzesbegründung des § 120a Universitätsgesetz (UG) waren Anlass für Freiburger Jurastudierende, beim Verwaltungsgericht Freiburg eine Klage auf Rückzahlung der unter Vorbehalt gezahlten Rückmeldegebühr zu erheben. In zweiter Instanz hatten die Studierenden vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim am 29. Juli 1998 Erfolg. Der Hochschulsenat hielt wie die Studierenden die Rückmeldegebühr für verfassungswidrig und legte die Frage dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Entscheidung vor. Daraufhin setzte die Landesregierung bis zur endgültigen Entscheidung aus Karlsruhe die Einziehung der Gebühr aus. Nach einer sehr kritisch geführten mündlichen Verhandlung vom 5. November 2002 erging schließlich am 19. März 2003 das Urteil zugunsten der Studierenden.1
Mit der Entscheidung wurden zwar keine Aussagen zur generellen Zulässigkeit von Studiengebühren getroffen, es sind jedoch erstmals wichtige Grundregeln für die Erhebung von Verwaltungsgebühren aufgestellt worden. Das BVerfG hat insbesondere den Grundsatz der Normenklarheit und -wahrheit betont. Danach liegt es zunächst an der gebührenerhebenden Behörde bzw. am Gebührengesetzgeber, klar und eindeutig darzulegen, für welchen Zweck und für welche konkrete Verwaltungsleistung eine Gebühr erhoben werden soll und welche Vorteile ggf. mit der Gebühr abgegolten werden sollen. Das BVerfG hat im Verfahren um die Rückmeldegebühren insbesondere die Versuche der Landesregierung nicht akzeptiert, weitere Begründungen nachzuschieben und neue Gebührenzwecke geltend zu machen. § 120a UG erhob eindeutig eine Gebühr "für" die Bearbeitung der Rückmeldung, bezog sich damit allein auf diese konkrete Verwaltungsleistung. Andere Verwaltungsleistungen der Hochschule konnten somit mit der Gebühr nicht abgegolten werden. Ein kleines Wort mit großer Bedeutung. Denn soweit in anderen Bundesländern formuliert wurde, es werde eine Gebühr "bei" der Rückmeldung erhoben, fehlte dieser konkrete Bezug. Dies ermöglicht anderen Bundesländern, weitere Verwaltungsleistungen in die Gebührenberechnung mit einzubeziehen.

Neben dem Grundsatz der Normenklarheit und -wahrheit war auch das Demokratieprinzip verletzt. Dieses verlangt u.a., dass gegenüber Parlament und Öffentlichkeit eindeutig dargelegt wird, welche Gebühren wofür und warum erhoben werden und in welchem Verhältnis diese zu den maßgeblichen Kosten stehen. Nur dann ist es Parlament und Öffentlichkeit möglich, eine politische Entscheidung hierüber zu treffen. Während öffentlich behauptet wurde, eine einzelne konkrete Verwaltungsleistung werde abgegolten, ging es in Wahrheit um die Einführung eines allgemeinen "Solidarbeitrages" der Studierenden, in anderen Worten um Studiengebühren im politischen Sinne.
Das BVerfG hat weiter klar gestellt, dass der Gebührengesetzgeber selbst darlegen muss, von welchen Kosten er für eine bestimmte Verwaltungsleistung ausgeht. Die Anwendung gebührenrechtlicher Prinzipien setzt die Kenntnis der zugrunde liegenden Zahlen voraus. Dass im vorliegenden Verfahren Studierende und Gerichte selbst Zahlenmaterial zusammen tragen und Berechnungen anstellen mussten, sollte sich nach der Entscheidung des BVerfG nicht wiederholen. Verwaltung und Regierung sind in Zukunft in der "Bringschuld" und müssen interne Kostenrechnungen anstellen und offen legen.

Neue Gebühren rechtmäßig?

Kaum wurde die alte Regelung gekippt, hat die Landesregierung bereits eine neue Regelung beschlossen, wonach nunmehr ein Verwaltungskostenbeitrag von Euro 40 pro Semester zu zahlen ist.2 Das aktuelle Urteil verlangt für die neu einzuführenden Gebühren einen wesentlich höheren Begründungsaufwand. Des weiteren ist zu hoffen, dass sich die Regierungskoalition diesmal offen und ehrlich der politischen Diskussion stellt. Denn wie auch immer die Gebühren beschönigend genannt werden: Es ist der endgültige Abschied vom gebührenfreien Erststudium. Und das will - auch in Zeiten knapper Kassen - gut begründet sein.
Daneben sei noch kurz auf zwei Punkte hingewiesen, die bisher nicht ausdrücklich Gegenstand der Verfahren vor dem BVerfG waren. Das baden-württembergische Universitätsgesetz sieht allgemeine Studiengebühren vor, die im Regelstudium durch Bildungsguthaben abgegolten werden. Mithin gibt es eine politische Entscheidung für ein gebührenfreies Erststudium. Hierzu im Widerspruch stehen neue Gebühren ab dem 1. Semester. Problematisch erscheint auch, dass einerseits für die Gesamtleistung der Universität eine umfassende Gebühr in Form der allgemeinen Studiengebühr erhoben wird, andererseits einzelne Verwaltungsleistungen herausgenommen und nochmals extra abgerechnet werden. Diese Problematik wurde ebenso in der mündlichen Verhandlung angedeutet wie auch die Frage nach der Grenze für Verwaltungsgebühren, da letztlich zahlreiche Verwaltungsleistungen einzeln berechnet und so Gebühren in Höhe von Tausenden Euro begründet werden könnten.
Nicht geklärt ist weiter, wie sich die Gebührenerhebung auf Landesebene mit staatlichen Leistungen des Bundes an Studierende, z.B. Kindergeld und BAföG, verträgt. Insbesondere jene Studierenden, die den vollen Förderungssatz erhalten, werden bei weiterer Gebührenerhebung einen Teil der Bundesmittel unweigerlich an das Land weiterleiten. Ob dies zulässig und im Sinne der Finanzverfassung ist, erscheint mehr als zweifelhaft.
Als Erfolg der Klage bleibt festzuhalten, dass ein grundlegendes Urteil für das Gebührenrecht erreicht wurde, verfassungswidrige Rückmeldegebühren zurück bezahlt werden müssen und dass auch neue Gebühren sehr genau zu prüfen sind.

Klaus Hoffmann ist Richter am Landgericht Baden-Baden. Er ist Sprecher der Freiburger Klagegruppe gegen Rückmeldegebühren.

Anmerkungen:

1 Urteil und Pressemitteilung finden sich im Internet: http://www.bverfg.de/entscheidungen/frames/2003/3/19.
2 Infos zu den neuen Gebühren beim Wissenschaftsministerium: http://www.mwk.baden-wuerttemberg.de.