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Berlusconi vor Gericht   Heft 3/2003
nachhaltig gestört
Das ökologisch-ökonomische Gleichgewicht

Seite 101
 
 

Im Mai 2003 nahm der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi einen Korruptionsprozess zum Anlass, um Klartext zu reden. Die RichterInnen als Büttel der "kommunistisch kontrollierten" italienischen Justiz entlarvte er als "Putschisten", die nichts anderes anstrebten als den Sturz der italienischen Regierung, und kündigte an, die "Politisierung gewisser Richter" zu beenden.
Dem Auftritt vorangegangen war die Verurteilung seines Vertrauten Cesare Previti, ehemaliger Verteidigungsminister, zu elf Jahren Haft. Berlusconi war im selben Prozess ursprünglich mit angeklagt. Allerdings war das Verfahren gegen ihn im Jahr 2001 wegen Verjährung eingestellt worden. In Mailand ist aber noch ein ähnliches Verfahren wegen Richterbestechung gegen ihn anhängig, weshalb er nervös geworden sein könnte.
Dafür gibt es aber kaum Anlass. Seit seinem zweiten Amtsantritt hat er unbeschadet drei Verfahren wegen Bestechung, Steuerbetrug, Meineid und Bilanzfälschung überstanden. Im oben erwähnten Verfahren half ihm die Verjährung, begünstigt durch ein von ihm auf den Weg gebrachtes Gesetz, das Angeklagten die Möglichkeit gibt, "berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit" der für ihre Verfahren zuständigen Behörden zu äußern und so zu erreichen, dass die Zuständigkeiten auf einen anderen Bezirk verlagert werden. Bei geschickter Ausnutzung eröffnet es die Möglichkeit, die Verfahren von Gericht zu Gericht weiterzureichen, bis Verjährung eintritt oder die Ermittlungen so erschwert werden, dass ein Beweis kaum noch möglich ist (vgl. Luczak, Forum Recht 4/2002, 137).
Ein anderes Mal half ihm die Änderung des Gesetzes zur Strafbarkeit von Bilanzfälschung. Der ehemalige Straftatbestand ist seitdem nur noch eine Ordnungswidrigkeit, wird erst verfolgt, wenn die gefälschte Summe mehr als fünf Prozent des Umsatzes ausmacht, und Ermittlungen dürfen nur auf Anzeige hin aufgenommen werden. Die Regelung gilt rückwirkend.
Im Juni 2003 gelang Berlusconi nun der erste Schritt zu einem weiteren Erfolg. Nachdem die Immunität in Italien Anfang der 90er Jahre nach einer Serie von Korruptionsskandalen abgeschafft worden war, soll sie nun teilweise wieder eingeführt werden - für den Ministerpräsidenten, den Staatspräsidenten, die Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern und den Präsidenten des Verfassungsgerichts. Im Juni hat der Senat einem entsprechenden Gesetz zugestimmt. Es musste bei Redaktionsschluss noch die Abgeordnetenkammer passieren. Sollte es dort gebilligt werden, wird es seinen Zweck erfüllen: Die mögliche Verurteilung von Berlusconi in dem laufenden Korruptionsverfahren zu verhindern.

Tillmann Löhr, Göttingen