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BVerfG zur Sicherungsverwahrung   Heft 2/2004
freie Leere
Bildung für den Wettbewerb

Seite 66
 
 

Am 5. und 10. Februar 2004 ergingen zwei grundlegende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Verfassungsmäßigkeit der Sicherungsverwahrung. In seiner ersten Entscheidung hatte das BVerfG zu beurteilen, ob die im Januar 1998 erfolgte rückwirkende Verlängerung der gesetzlichen Höchstdauer der Sicherungsverwahrung verfassungsgemäß ist. Vor der Gesetzesänderung war die erstmalige Sicherungsverwahrung auf maximal zehn Jahre beschränkt. Seitdem kann auch die erste Sicherungsverwahrung lebenslang dauern. Das Gericht hält dies für zulässig und stützt seine Entscheidung dabei auf die angeblich grundsätzlichen Unterschiede zwischen Strafen und Maßregeln der Besserung und Sicherung. Das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz (GG) gelte für Strafen, nicht aber für Maßregeln. § 2 Abs. 6 Strafgesetzbuch (StGB), der für Maßregeln eine Ausnahme vom Rückwirkungsverbot macht, sei daher verfassungsgemäß. Die gravierende Bedeutung der rückwirkenden Verlängerung der Höchstdauer für die 165 Betroffenen und der Vorwurf weiter Teile des strafrechtlichen Schrifttums, dass die Unterschiede zwischen Strafe und Sicherungsverwahrung "Etikettenschwindel" sind, haben das BVerfG nicht überzeugt. Auch ein Verstoß gegen das rechtsstaatliche Vertrauensgebot aus Art. 2 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG wurde seitens des BVerfG abgelehnt, weil die Schutzwürdigkeit des Vertrauens der Betroffenen ohnehin nach § 2 Abs. 6 StGB unter dem Vorbehalt einer Änderung der Rechtslage stehe.

Im zweiten Urteil befasste sich das BVerfG mit der Verfassungsmäßigkeit der nachträglichen Sicherungsverwahrung nach Landesrecht. Das BVerfG hat die nachträgliche Sicherungsverwahrung mangels Gesetzgebungskompetenz der Länder für verfassungswidrig erklärt. Es kritisierte ferner die zu enge, weil allein auf das Vollzugsverhalten gestützte Prognosegrundlage der Landesgesetze, betonte jedoch, dass eine nachträgliche Sicherungsverwahrung nach Bundesrecht verfassungskonform möglich sei. Bedenklich ist, wie wenig Gewicht das BVerfG den Freiheitsrechten der Betroffenen einräumt. Es entschied nämlich, dass die verfassungswidrigen (sic!) aber nicht nichtigen Landesgesetze (Vgl. § 31 Abs. 2 S.3 BVerfGG) bis zum 30. September 2004 anwendbar bleiben, damit der Bundesgesetzgeber eine eigene verfassungskonforme Regelung der nachträglichen Sicherungsverwahrung schaffen kann. Dieses Vorgehen sei auf Grund überwiegender Gemeinwohlinteressen geboten. In einem Sondervotum kritisierten zwei Richter und eine Richterin dieses Vorgehen. Resümierend lässt sich feststellen, dass die Abschaffung der umstrittenen Maßregel nicht zuletzt durch diese Entscheidungen in weite Ferne gerückt ist.

Tobias Mushoff, Bielefeld