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Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes   Heft 2/2005
mehr Theorie wagen
Ansätze der Rechtskritik

Seite 67
 
 

In der europäischen Integration hat der Diskriminerungsschutz immer eine wichtige Rolle gespielt, hauptsächlich, um die freie Entwicklung des Wirtschaftsraumes zu fördern. Vor dem Hintergrund verschiedener bestehender faktischer Diskriminierungen wurde schon länger eine weiter gehende Kompetenz der EU zur Regelung des Diskriminierungsschutzes gefordert und schließlich im Amsterdamer Vertrag mit Art. 13 EG-Vertrag umgesetzt. Die EU hat mit den Richtlinien (RL) 2000/43/EG, 2000/78/EG und 2002/73/EG und zuletzt 2004/113/EG einen verpflichtenden, europäischen Standard des Diskriminierungsschutzes festgeschrieben. Vor staatlicher Diskriminierung, also willkürlicher Gleich-/Ungleichbehandlung, schützt zwar in Deutschland das Grundgesetz (GG) umfassend, im Privatrecht wirkt es aber nur mittelbar über die zivilrechtlichen Generalklauseln und die Rechtsanwendung der Gerichte. Weil Gleichheitsgesetzgebung im einfachen Recht bisher nur in Teilbereichen erfolgte, fehlt es an einem effektiven, umfassenden Diskriminierungsschutz.
Das Justizministerium hatte 2001 einen Gesetzentwurf zur "Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes" vorgestellt, der aber kurz vor den Wahlen nicht mehr in den Bundestag (BT) eingebracht wurde. Erst jetzt, drei Jahre später, wurde ein Fraktionsentwurf in den BT eingebracht und nach der ersten Lesung zur Beratung an die Ausschüsse überwiesen.
In zahlreichen Stellungnahmen und der öffentlichen Anhörung der Sachverständigen und Verbände forderten auch BefürworterInnen zu Recht noch Verbesserungen des ADG-E. KritikerInnen meinen dagegen, der Entwurf weite mit der "großen Lösung" den Schutz auf Merkmale aus, die in den RL nicht gefordert sind. Dabei wird häufig übersehen, dass neben den RL auch verfassungsrechtliche Standards wie das Gebot der Rechtssetzungsgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten sind. Andere sehen mit dem ADG sogar schon die Privatautonomie in Gefahr. Aber der Schutz der Selbstbestimmtheit, auch gegen private Macht, dient nicht der Beschränkung der Privatautonomie, sondern soll ihr universelle Geltung verschaffen.
Besonders emotional wird die Debatte um eine befürchtete Prozessflut geführt. Doch kann man ein Schutzgesetz kritisieren, weil es besonders wirksam ist? Wohl kaum, es ist rechtspolitisch gewollt, Benachteiligte zu ermutigen, Schutz gegen Diskriminierung notfalls auch mit dem "scharfen Schwert" des Gesetzes zu suchen. Und schließlich kann ein verbesserter Rechtschutz auch präventiv und damit einer Prozessflut entgegen wirken.
Es bleibt zu hoffen, dass der Entwurf beschlossen wird - nicht zuletzt wegen des verheerenden Signals, das von einem Vertragsverletzungsverfahren wegen der abgelaufenen Umsetzungsfrist ausgehen würde.

Lamine Clausnitzer, Berlin