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Selbstgespräche kein Beweis   Heft 4/2005
It's the equality, stupid!
Mit Recht gegen Diskriminierung

Seite 139
 
 

Abgehörte Selbstgespräche dürfen in Strafprozessen nicht zu Beweiszwecken verwertet werden. Dies entschied am 10. August 2005 der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes (BGH). Dem Grundsatzurteil lag die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 zum "Großen Lauschangriff" zugrunde, wonach selbst zur Aufklärung von Schwerstkriminalität keine "Erkenntnisse aus dem Eingriff in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung" im Strafprozess verwertet werden dürfen.
In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte das Landgericht München einen 46-jährigen Mann wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Er war verdächtigt worden, 1998 einen schlafenden Landwirt erschlagen zu haben. Aufgrund neuer Verdachtsmomente wurde viereinhalb Jahre später sein Einzelzimmer in einer Rehabilitationsklinik mit Wanzen überwacht. Dort führte er ein Selbstgespräch, in dem er unter anderem die Worte: "Sehr aggressiv! In Kopf hätt i eam schießen sollen." äußerte. Hieraus hatte das Landgericht den Schluss gezogen, dass der Mann sich Gedanken über eine alternative Tötungsart gemacht habe, und diese Erkenntnis bei der Verurteilung verwandt.
Der BGH befand jedoch, ein Selbstgespräch in einem Krankenhauszimmer sei dem "Kernbereich privater Lebensgestaltung" aufgrund der vom Grundgesetz geschützten Unverletzlichkeit der Wohnung in Verbindung mit dem Schutz der Menschenwürde und dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit zuzurechnen. Er stellte klar, dass Selbstgespräche anders zu behandeln seien als Zwiegespräche oder auch Tagebucheinträge. Bei letzteren müsse man immer damit rechnen, dass die Äußerungen Dritten zugänglich sein könnten. Dies sei bei einem Selbstgespräch, welches die Verteidiger des Angeklagten als "Denken der Seele" beschworen, anders.
Trotzdem lies der BGH mehrere Rechtsfragen offen. Die Richter beriefen sich bei ihrer Entscheidung auf eine "Kumulation mehrerer Umstände" im speziellen Fall; vor allem die Interpretationsbedürftigkeit des Selbstgesprächs habe eine Rolle gespielt. Es hieß, die Bewertung könne bei einem Selbstgespräch mit "eindeutigem Bezug zu einer Straftat" anders ausfallen. Diese Einschätzung widerspricht jedoch der in der Urteilsentscheidung getroffenen Feststellung, dass der laut geäußerte Gedanke zum absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung gehöre. Außerdem stellt sich die Frage, ob ein Selbstgespräch nicht immer bis zu einem gewissen Grad interpretationsbedürftig ist. Der BGH versäumte zudem seine Chance klarzustellen, ob das Abhören in einem Krankenzimmer bei einem Gespräch mit einem Angehörigen abgebrochen werden muss oder verwertet werden kann. Zur Klärung dieser Fragen bleiben weitere Urteile zum "Großen Lauschangriff" abzuwarten.

Almut Peters, Freiburg