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       Ein Göttinger Anti-Atom-Aktivist hatte ihn schon zu spüren bekommen, 
        den § 33a des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit 
        und Ordnung (NSOG). Diese Norm des Ende 2003 in Kraft getretenen Gesetzes 
        gestattete es der Polizei, Telefone bereits im Vorfeld eventueller Straftaten 
        abzuhören. Im konkreten Fall waren die Telefongespräche des Göttingers 
        abgehört worden, da er im Verdacht stand, bei einem bevorstehenden Castor-Transport 
        die Gleise zu blockieren. Dies war einer von insgesamt vier Anwendungsfällen 
        der gesetzlichen Regelung.  
        Mit Urteil vom 27. Juli 2005 (Aktenzeichen: 1 BvR 668/04) entschied jedoch 
        das Bundesverfassungsgericht, dass die vorbeugende Telekommunikationsüberwachung 
        im niedersächsischen Polizeigesetz verfassungswidrig ist. Das Gericht 
        sah in den Regelungen des § 33a Abs. 1 Nr. 2 und 3 NSOG einen unverhältnismäßigen 
        Eingriff in das Fernmeldegeheimnis und somit einen Verstoß gegen Art. 
        10 Abs. 1 des Grundgesetzes. Außerdem fehle es an Vorkehrungen, dass Gespräche 
        im Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht abgehört bzw. unmittelbar 
        nach dem Abhören gelöscht werden. Weiterhin habe das Land Niedersachsen 
        in die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes eingegriffen, da dieser die Verfolgung 
        von Straftaten durch Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung in der 
        Strafprozessordnung abschließend geregelt habe und die Länder insoweit 
        von der Gesetzgebung ausgeschlossen seien.  
        Somit war die Verfassungsbeschwerde eines Oldenburger Richters erfolgreich, 
        der die Regelung für unverhältnismäßig gehalten hatte. Er nannte das Urteil 
        einen Erfolg für die Bürgerrechte. Auch DatenschützerInnen bekundeten 
        ihre Zufriedenheit und sahen sich in ihrer Kritik bestätigt. Letztlich 
        ist das Urteil als Wiederbelebung des Fernmeldegeheimnisses und somit 
        als Schutz der Privatsphäre zu werten.  
        Das Urteil hat auch Folgen für andere Bundesländer. Die Landesgesetzgeber 
        werden ihre Polizeigesetze auf verfassungswidrige Befugnisse hin untersuchen 
        müssen. Der geplanten Verschärfung der Sicherheitsgesetze einiger Länder 
        ist bezüglich der präventiven Telekommunikationsüberwachung ein Riegel 
        vorgeschoben. In Hamburg beispielsweise hatte der Senat die zunächst geplante 
        Telefonüberwachung aus dem neuen Polizeigesetz gestrichen, da er die Entscheidung 
        des Bundesverfassungsgerichts abwarten wollte. In Niedersachsen könnten 
        unter Umständen noch weitere Normen einer Prüfung unterzogen werden. Im 
        Fall des Göttinger Anti-Atom-Aktivisten kam es nicht nur zu einer Telefonüberwachung, 
        sondern auch zu einer Observation mittels GPS-Peilsender. Demnach könnten 
        in naher Zukunft auch § 34 (Observation) und § 35 (Einsatz technischer 
        Mittel) des NSOG auf dem Prüfstand stehen. 
      Dirk Pfanne, Göttingen  
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