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Präventives Abhören nicht erlaubt   Heft 4/2005
It's the equality, stupid!
Mit Recht gegen Diskriminierung

Seite 140
 
 

Ein Göttinger Anti-Atom-Aktivist hatte ihn schon zu spüren bekommen, den § 33a des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (NSOG). Diese Norm des Ende 2003 in Kraft getretenen Gesetzes gestattete es der Polizei, Telefone bereits im Vorfeld eventueller Straftaten abzuhören. Im konkreten Fall waren die Telefongespräche des Göttingers abgehört worden, da er im Verdacht stand, bei einem bevorstehenden Castor-Transport die Gleise zu blockieren. Dies war einer von insgesamt vier Anwendungsfällen der gesetzlichen Regelung.
Mit Urteil vom 27. Juli 2005 (Aktenzeichen: 1 BvR 668/04) entschied jedoch das Bundesverfassungsgericht, dass die vorbeugende Telekommunikationsüberwachung im niedersächsischen Polizeigesetz verfassungswidrig ist. Das Gericht sah in den Regelungen des § 33a Abs. 1 Nr. 2 und 3 NSOG einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis und somit einen Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 des Grundgesetzes. Außerdem fehle es an Vorkehrungen, dass Gespräche im Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht abgehört bzw. unmittelbar nach dem Abhören gelöscht werden. Weiterhin habe das Land Niedersachsen in die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes eingegriffen, da dieser die Verfolgung von Straftaten durch Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung in der Strafprozessordnung abschließend geregelt habe und die Länder insoweit von der Gesetzgebung ausgeschlossen seien.
Somit war die Verfassungsbeschwerde eines Oldenburger Richters erfolgreich, der die Regelung für unverhältnismäßig gehalten hatte. Er nannte das Urteil einen Erfolg für die Bürgerrechte. Auch DatenschützerInnen bekundeten ihre Zufriedenheit und sahen sich in ihrer Kritik bestätigt. Letztlich ist das Urteil als Wiederbelebung des Fernmeldegeheimnisses und somit als Schutz der Privatsphäre zu werten.
Das Urteil hat auch Folgen für andere Bundesländer. Die Landesgesetzgeber werden ihre Polizeigesetze auf verfassungswidrige Befugnisse hin untersuchen müssen. Der geplanten Verschärfung der Sicherheitsgesetze einiger Länder ist bezüglich der präventiven Telekommunikationsüberwachung ein Riegel vorgeschoben. In Hamburg beispielsweise hatte der Senat die zunächst geplante Telefonüberwachung aus dem neuen Polizeigesetz gestrichen, da er die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abwarten wollte. In Niedersachsen könnten unter Umständen noch weitere Normen einer Prüfung unterzogen werden. Im Fall des Göttinger Anti-Atom-Aktivisten kam es nicht nur zu einer Telefonüberwachung, sondern auch zu einer Observation mittels GPS-Peilsender. Demnach könnten in naher Zukunft auch § 34 (Observation) und § 35 (Einsatz technischer Mittel) des NSOG auf dem Prüfstand stehen.

Dirk Pfanne, Göttingen