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Kritik am Transsexuellengesetz   Heft 2/2006
Zwischen Wir und Ich:
Europäische Idee und nationale Interessen
Seite 67
 
 

Seit 1980 ist in Deutschland per Gesetz geregelt, dass ein Mensch nur unter sehr engen Voraussetzungen einen Vornamen annehmen kann, der seinem bei Geburt zugeschriebenen Geschlecht widerspricht. Nur unter noch engeren Voraussetzungen, nämlich nur nach einer operativen Geschlechtsumwandlung, wird dieses selbst bestimmte Geschlecht auch rechtlich anerkannt und im Geburtenbuch eingetragen. Mit dem so genannten "Transsexuellengesetz", das dies regelt, hat sich seit 1980 mehr das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als der Gesetzgeber beschäftigt. Bereits zum dritten Mal erklärte das BVerfG im Dezember 2005 einen Passus aus dem kurzen, strengen Gesetzestext schlicht für verfassungswidrig.
Dieses Mal hatte eine Hamburgerin geklagt, die als "Kai" geboren wurde und ihren Vornamen später standesamtlich in "Karin" geändert hatte. Karin hatte sich keiner Operation unterzogen, sondern "nur" die für eine Vornamensänderung notwendigen zwei Gutachten darüber eingeholt, dass sie "sich dem anderen Geschlecht zugehörig empfindet" und "seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben" (§ 1 Transsexuellengesetz). Dem Standesamt galt sie damit, mangels Operation, lediglich als ein Mann mit einem weiblichen Vornamen. Als Karin und ihre weibliche Lebenspartnerin ihre Beziehung rechtlich absichern wollten, stand den beiden daher auch nicht die Möglichkeit einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft offen. Das Standesamt verlangte von Karin und ihrer Lebenspartnerin vielmehr, dass sie als Mann und Frau eine Ehe schlössen. Was die beiden taten. Daraufhin machte das Standesamt allerdings Karins Vornamensänderung rückgängig, denn so schreibt es das Transsexuellengesetz vor. Dem Gesetz liegt hier die Vorstellung zugrunde, dass, wer eine Frau heiratet, sich selbst wohl nicht mehr als Frau fühle und daher zur Klarstellung seinen männlichen Vornamen wieder annehmen müsse.
Diese Regelung ist verfassungswidrig, weil sie nach einer Vornamensänderung ausschließlich noch Heterosexualität anerkennt. Der Gesetzgeber wertet hier die Entscheidung einer Person für eine/n Partner/in einfach als Statement über das eigene Geschlecht - wenn da einerseits eine Frau sei, müsse auf der anderen Seite ja "logischerweise" ein Mann stehen. "Logisch" ist an dieser Sichtweise überhaupt nichts, wie es das BVerfG nun klargestellt hat. Mit dem sexuellen Interesse an anderen Menschen hat die Änderung des eigenen Geschlechts erstmal nichts zu tun, insofern trifft es der Ausdruck "transgender" auch besser als der im Gesetz verwendete ungenaue Ausdruck "transsexuell". Eine Frau, die als Mann geboren wurde, kann alles sein, was andere Frauen auch sein können - auch lesbisch.

Ron Steinke, Hamburg