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Ausgefiltert?   Heft 4/2006
Transnational Concerns:
Facetten der Globalisierung
Seite 140
 
 

Bereits in den 1970er Jahren wurde die Rasterfahndung zur Terrorbekämpfung angewandt. Sie führte jedoch zur Verhaftung nur eines RAF-Mitglieds, das sich in einer durch Rasterfahndung ermittelten Wohnung aufhielt. Nach dem 11. September 2001 hatte die Rasterfahndung ihr Comeback. Mögliche "Schläfer" sollten identifiziert werden. 5,2 Millionen Datensätze wurden auf Verlangen der Landeskriminalämter an diese von Registerbehörden, Ämtern und Universitäten weitergeleitet. So auch in Nordrhein-Westfalen, das sich auf § 31 Polizeigesetz von NRW in der Fassung von 1990 (PolG 1990 NRW) stützte. Jedoch wurde kein einziger "Schläfer" gefunden. Gegen diese Maßnahme hat ein betroffener, in NRW lebender marokkanischer Student bis vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) geklagt - erfolgreich.
Das Urteil schob der so eifrigen Rasterfahndung, die nach der Humanistischen Union nicht mit einem demokratischen Rechtsstaat zu vereinbaren sei, da sie ohne Tatverdacht, ohne Tat und ohne konkrete Gefahr auf eine völlig unbestimmte Anzahl von Bürgern ziele, einen kleinen Riegel vor. Laut BVerfG verletze die Maßnahme den Studenten in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Zwar sei die Maßnahme auf eine verfassungsmäßige Eingriffsgrundlage gestützt (§31 PolG 1990 NRW); deren zu weite Auslegung sei aber verfassungswidrig: Kann keine konkrete Gefahr nachgewiesen werden, so sei die Maßnahme und demnach auch die Eingriffe, die damit einhergingen, nicht gerechtfertigt. Eine Gefahr könne zwar auch eine Dauergefahr sein, zu deren Feststellung bedürfe es aber weiterer konkreter Tatsachen, die etwa auf Vorbereitung oder Durchführung terroristischer Anschläge hindeuten. Eine allgemeine Bedrohungslage, wie sie im Hinblick auf terroristische Anschläge seit dem 11. September 2001 durchgehend bestanden habe, reicht immerhin nicht aus.
Die Konsequenz, die die anderen Bundesländer aus dem Urteil ziehen müssen, heißt: Nachbessern! Denn die meisten Länder postulieren in ihren Polizeigesetzen überhaupt kein Erfordernis einer Gefahr. Somit erleichtern sie die unterschiedslose Rasterung völlig Unverdächtiger, die schon für eine allgemeine Bedrohungslage, geschweige denn für eine konkrete Gefahr keinerlei Verantwortung tragen. So bürgerrechtsfreundlich das Urteil beim Lesen der Argumente klingen mag, beinhaltet es keine generelle Absage an Vorfeldeingriffe.
Die Rasterfahndung bleibt ein politisch fataler Versuch, auf Kosten von Minderheiten Stimmung, und hartes Durchgreifen medienwirksam zu machen und die Öffentlichkeit an rücksichtsloses polizeiliches Vorgehen zu gewöhnen. Im Rahmen der Rasterfahndung, egal welchen Anforderungen sie entsprechen muss, ist der Grundrechtsschutz nicht gewährleistet.

Sophie Rotino, Freiburg