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Niederlage für Bush   Heft 4/2006
Transnational Concerns:
Facetten der Globalisierung
Seite 140
 
 

Am 29.06.2006 entschied der U.S. Supreme Court im Fall Hamdan v. Rumsfeld, dass die von Präsident Bush errichteten Militärkommissionen, welche die in Camp Delta, Guantánamo, festgehaltenen "feindlichen Kombattanten" aburteilen sollten, mit US-Militärrecht und den Genfer Konventionen unvereinbar sind. Als Präjudiz zieht das Urteil zudem die Grenzen der Machtbefugnisse des Präsidenten im "war on terrorism" deutlich enger als von der Regierung beansprucht.
Der Guantánamo-Häftling Salim Ahmed Hamdan wurde 2004 der Verschwörung gegen die USA vor einer Militärkommission angeklagt, deren Rechtsgrundlage und Verfahrensordnung in Anordnungen des Präsidenten bestanden. Der von Hamdan eingereichte Antrag auf Prüfung der Rechtmäßigkeit dieser Behandlung erreichte 2005 das höchste Bundesgericht.
Das Gericht musste sich zunächst Zugang zur Zuständigkeit verschaffen. Dieser im Wege stand der Detainee Treatment Act vom 30.12.2005, in dem der Kongress bestimmte, dass kein Gericht habeas-corpus-Anträge aus Camp Delta prüfen darf. Ob die nach der Verfassung bedingt mögliche Suspendierung des Grundrechts auch materiell Bestand hat, wurde nicht geprüft. Die Richtermehrheit entschied nur, dass das Gesetz die bereits anhängigen Verfahren gar nicht berührt. Diese Verneinung einer vom Gesetzgeber möglicherweise gewollten Rückwirkung ist der Schwerpunkt der Kritik in den Sondervoten, die eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit emphatisch ablehnen.
Somit in der Sache zuständig sprachen die die Entscheidung tragenden fünf Gerichtsmitglieder dem Präsidenten zwar nicht die Befugnis ab, im Kriegszustand mittels Militärkommissionen eine Art Standgerichtsbarkeit auszuüben. Auch seien diese "war powers" durch die Kongress-Resolution "Authorization for Use of Military Force" (AUMF, 18.09.2001) aktiviert worden. Jedoch sei die Ermächtigung zu unbestimmt um bestehendes Gesetzesrecht zu verdrängen. So legt der Uniform Code of Military Justice (UCMJ) fest, dass Verfahrensgrundsätze der Militärgerichtsbarkeit soweit wie praktisch möglich auch für Militärkommissionen gelten. Insbesondere da vor Guantánamo-Kommissionen die gegen die Beschuldigten vorgebrachten Beweise der Verteidigung vorenthalten werden können und die Berufungsmöglichkeit an zivile Gerichte beschränkt ist, sah der Supreme Court eine Verletzung des UCMJ. Aus jenen Gründen mangelt es den Kommissionen auch an den in Artikel 3 der Genfer Konventionen zugesagten "unerlässlichen Rechtsgarantien".
Die neue Entscheidung wird wohl auch für die Beurteilung anderer "war on terror"-Maßnahmen maßgebend: So findet zum Beispiel die umfassende Überwachung aller Auslandstelefonate durch die National Security Agency entgegen ausdrücklichem Gesetzeswortlaut statt - ebenfalls unter Berufung auf die AUMF-Sondervollmachten.

Michael J. Zeder, Nürnberg