Heft 1 / 2000:
status quo vadis
Die Europäische Union zwischen Neoliberalismus und Demokratisierung
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Nina Dieckmann Zum ersten Artikel des Schwerpunkts Zur Rubrik Ausbildung Zur Rubrik Recht kurz Zum Sammelsurium Zur Rubrik Politische Justiz Zur BAKJ-Seite
Ungleichbehandlung wegen Nichtzahlung von Weihnachtsgeld
 

Der Erziehungsurlaub bringt Verdiensteinbußen mit sich, meist für die Frau. Sie ist es auch, die oft nur einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen kann, nicht zuletzt wegen ihrer vielen Heimverpflichtungen. Besonders ärgerlich wird es, wenn der/die ArbeitgeberIn dann noch die Zahlung des allen anderen gewährten Weihnachtsgeldes verweigert. Dies kann indes eine vom Gemeinschaftsrecht verbotene Diskriminierung der Frau sein, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) in zwei Fällen entschieden hat.
In dem ersten wurde der zuvor in Vollzeit arbeitenden Klägerin die Weihnachtsgratifikation verwehrt, eben weil sie jetzt den Erziehungsurlaub wahrnehme. Der Rechtsstreit hing von der Auslegung des Artikels 119 des Europäischen Gemeinschaftsvertrages (EGV) ab (gleiches Entgelt für Männer und Frauen). Das zuständige Arbeitsgericht Gelsenkirchen wandte sich mit der Frage an den EuGH, ob bei der Gewährung von Weihnachtsgeld die Unterscheidung zwischen aktiven ArbeitnehmerInnen und sich im Erziehungsurlaub befindlichen mit diesem Artikel vereinbar ist. Nach dem EuGH kommt es hierfür darauf an, ob die Weihnachtsgratifikation eine Vergütung für im Jahr der Gewährung geleistete Dienste ist oder aber ein Anreiz für zukünftige Treue. Es ist nur die letzte Konstellation, nach der die Nichtzahlung des Weihnachtsgeldes an die Klägerin gerechtfertigt wäre. Eine solche Praxis sei keine Diskriminierung, da sie unterschiedslos für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen gelte. Das Merkmal des Erziehungsurlaubs sei der ruhende Arbeitsvertrag. Diese Situation könne nicht mit derjenigen eines Mannes oder einer Frau, der/die arbeiten geht, gleichgesetzt werden.
Was hiervon auch zu halten ist, immerhin liegt eine (mittelbare) Diskriminierung der Frau i. S. d. Artikels 119 EGV vor, wenn das Weihnachtsgeld der Anerkennung getaner Arbeit dient, da Frauen öfter Erziehungsurlaub in Anspruch nehmen und daher von der verweigerung der Gratifikation öfter betroffen sind. Abzuwarten bleibt nun, ob ArbeitgeberInnen nicht in Zukunft das Weihnachtsgeld vorzugsweise als Belohnung für künftige Arbeitsleistungen deklarieren.
Richtungsweisender erscheint da die Entscheidung des EuGH in dem zweiten Fall. Hier wurde einer im öffentlichen Dienst geringfügig beschäftigten deutschen Krankenschwester das Weihnachtsgeld verweigert. Der generelle Ausschluß der geringfügig Beschäftigten von der Gratifikation verstößt gegen Art. 119 EGV, so der EuGH, da von ihm faktisch erheblich mehr Frauen als Männer berührt sind.
Ein Grund zur Freude ist jedoch auch diese Entscheidung nicht wirklich. Sollte die Frau in erstgenannter das Weihnachtsgeld für geleistete Arbeit erhalten, steht es ihr hier letztlich doch nur zu, weil sie Frau ist; warum nicht ihrer Leistung wegen?

Nina Dieckmann, Berlin.

Quellen: Entscheidungen des EuGH vom 21. 10 1999 (Az C 333/97 und C 281/97).