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Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen brachte Ende letzten Jahres einen
Gesetzesentwurf zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen
gleichen Geschlechts in den Bundestag ein.
Dessen Kernpunkt bildet die Neufassung des § 1353 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen
Gesetzbuches (BGB): "Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder
gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen." Die Notwendigkeit einer
Gesetzesänderung ergibt sich a us der rechtlichen Situation der Lesben
und Schwulen: Sie besitzen keinen Angehörigenstatus. So steht ihnen kein
Zeugnisverweigerungsrecht zu. Im Krankheitsfall erhalten sie keine Auskünfte
von Krankenhäusern oder Behörden. Nach dem Tod der Partnerin/des P artners
können sie keine Versorgungsansprüche geltend machen. Ein gesetzliches
Erbrecht ist nur für Ehegatten vorgesehen. Auch arbeitsrechtlich und mietrechtlich
liegen Benachteiligungen vor. Die besondere Position von homosexuellen
Paaren besteht nun dari n, daß sie sich dieser Diskriminierung nicht wie
Heterosexuelle durch Eheschließung oder Scheinverlobung entziehen können.
Schon 1994 forderte das Europäische Parlament die Mitgliedstaaten dazu
auf, homosexuelle Paare zur Eheschließung oder zu entsprechenden Regelungen
zuzulassen. So gibt es z. B. in Norwegen, Dänemark und Schweden bereits
die Möglichkeit von "registrierten Pa rtnerschaften" für Schwule und Lesben,
in die weitgehend eherechtliche Regelungen übernommen wurden.
Niedersachen startete 1995 eine dementsprechende Bundesratsinitiative.
Die Ehe besitzt in heutiger Zeit nicht mehr eine Familiengründungsfunktion
als "Keimzelle des Staates". Die Privilegierung einer bestimmten Zweierbeziehung
zwischen heterosexuellen Erwachsenen läßt sich auch nicht mit der steigenden
Pluralität der Lebensfo rmen vereinbaren. Außerdem schließt das Urteil
des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 4.10.93 lediglich eine Verpflichtung,
nicht aber das Recht des Gesetzgebers zur Öffnung der Ehe aus.
Zwar verbirgt sich in der Forderung des Eheschließungsrechts für Schwule
und Lesben gleichzeitig eine Akzeptanz des "geschlechtshierarchischen
Herrschaftsmodells der Ehe", jedoch läge in der Schaffung der "registrierten
Partnerschaft" für Homosexuelle nebe n der Ehe gerade eine Manifestation
des Eheverbotes für Schwule und Lesben und damit eine fortgesetzte Diskriminierung.
Eine völlige Gleichheit von homo- und heterosexuellen Lebensgemeinschaften
läßt sich also nur durch die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche
Paare erreichen.
Susanne Dern, Regensburg
Quellen und Literatur:
(Bündnis 90/Grüne-Gesetzesentwurf) Bundestagsdrucksache (BT-Drs.) 13/2728.
BVerfG-Urteil in: Neue Juristische Wochenschrift 93, 3058.
(sonstige Diskussionsbeiträge) Entschließung des EU-Parlaments, BT-Drs.
12/7069; Gesetzesentwurf des Bundesverbands Homosexualität, STREIT 4/94,
180;
Bode, Malin, Einwanderung durch zwei Brautschleier?, STREIT 4/94, 171.
Oberlies, Dagmar, Über Schweinchen im Tempel und andere Tabuverletzungen,
STREIT 4/94, 172; Reiß, Stefan, Öffnung der Ehe für LesbenundSchwule,
KritischeJustiz 4/94, 98
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