Heft 2 / 1996:
Umbau ohne Unterbau
Aspekte der Sozialpolitik
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Marei Pelzer
Karlsruher Wasserschutz
 

Mit der Entscheidung vom 7. November 1995 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) den baden-württembergischen "Wasserpfennig" und die hessische Grundwasserabgabe für verfassungsgemäß erklärt.
Die in Baden-Württemberg und Hessen erhobene Abgabe belegt die Entnahme, insbesondere von Grundwasser, mit einer Gebühr, deren Höhe von Menge, Herkunft und Verwendungszweck abhängt. Die Zahlung dieses Wasserentnahmeentgelts betrifft insbesondere Wasserwerk e, Kraftwerke und Großunternehmen der Papier- und Chemiebranche.
Die KlägerInnen, der Chemiekonzern BASF und mehrere hessische Papierunternehmen, bewerteten den baden-württembergischen "Wasserpfennig" und die Hessische Grundwasserabgabe als eine verkappte Steuer, für deren Erhebung dem Land die Gesetzgebungskompetenz fe hle. Dagegen sah das BVerfG hier die Voraussetzungen des allgemeinen Steuerbegriffs nicht als erfüllt an. Zu den Merkmalen der Steuer gehöre, daß sie nicht als Gegenleistung für eine besondere staatliche Leistung gefordert wird. Steuern würden "voraussetzu ngslos" erhoben. Jedoch steht - laut BVerfG - den Wasserentnahmeentgelten als Gegenleistung die Eröffnung der Möglichkeit der Wasserentnahme gegenüber. Die Abgaben schöpften den Vorteil ab, der den Wasserentnehmern dadurch zuflösse, daß ihnen die Nutzung d es Wassers - eines Gutes der Allgemeinheit, das der Bewirtschaftung unterliege - in besonderer Weise eröffnet werde.
Die Gelder aus den Wasserabgaben fließen sowohl in Baden-Württemberg als auch in Hessen in den jeweiligen Landeshaushalt. In Hessen sind die Einnahmen aus der Grundwasserabgabe zweckgebunden für den Wasserschutz. Mit den Einnahmen werden Projekte wie Regen wassersammmelanlagen, wassersparende Produktionsverfahren oder Wassersparkampagnen gefördert. In verfassungsrechtlicher Hinsicht darf durch die Zweckbindung keine Einengung der Dispositionsfreiheit der HaushaltsgesetzgeberInnen entstehen. Das BVerfG sah hi er das vertretbare Ausmaß an Zweckbindungen jedoch noch nicht als überschritten an.
Daß eine Grundwasserabgabe eine sehr erfolgreiche Regulierung sein kann, hat sich z. B. in Berlin gezeigt. Dort ist der Grundwasserpegel seit Einführung der Grundwasserabgabe wesentlich gestiegen. Dabei hat sich herausgestellt, daß es sinnvoll ist, die umw eltschädlichen Handlungen direkt und zielgenau zu sanktionieren, da so unmittelbar auf die Verhaltensänderung eingewirkt wird.
Das Urteil stellt nicht nur einen Sieg für den Grundwasserschutz dar, sondern ist auch für die "Ökosteuer"-Diskussion von erheblicher Bedeutung. Das BVerfG hat klargestellt, daß derartige "Öko"-Abgaben nicht mit dem in Anlehnung an die "Kohlepfennig"-Entsc heidung erhobenen Vorwurf, es handele sich um eine unzulässige Steuer, bzw. es würden die engen Voraussetzungen der Sonderabgabe nicht erfüllt werden, abgeschmettert werden können. Selbst wenn die Abgaben sich nicht herkömmlichen Begriffen wie der Gebühr z uordnen lassen, besteht demnach ein finanzverfassungsrechtlicher Spielraum.
Hier ist das BVerfG einen neuen Weg gegangen, der die Besonderheit der Inanspruchnahme von Umweltgütern berücksichtigt.

Marei Pelzer, Freiburg

Quellen und Literatur:

(zum Urteil) Aktenzeichen: 2 BvR 413/88 und 1300/93.
(Hintergrund) FR vom 16.2.96; Frank Schreiber, Forum Recht 1/95, 28; Susanne Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltresourcen, Berlin 1995