|
Für die europäische Fußballwelt gibt es seit dem 15.12.95 ein gemeinsames
Feindbild: den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Zwei zentrale Pfeiler
des Profifußballs verstoßen nach Ansicht des EuGH nämlich gegen europäisches
Recht: Zum einen das Transfersystem , bei dem der neue Verein einem Kicker/einer
Kickerin horrende Summen an den abgebenden Verein zahlen muß, zum anderen
die Limitierung von (EU-) ausländischen SpielerInnen pro Verein durch
sogenannte AusländerInnenklauseln.
Der EuGH trotzte mit seinem Urteil dem Aufschrei deutscher und europäischer
FußballfunktionärInnen. FC Bayern-Manager Hoeneß sah "mittelfristig das
ganze System kaputtgehen" und Werder Bremen-Manager Lemke prognostizierte
eine "Katastrophe für die deutsche Nationalmannschaft".
Anlaß für das EuGH-Urteil war eine Vorlage des Lütticher Berufungsgerichts,
bei dem eine Schadenersatzklage des Fußballprofis Jean Marc Bosman gegen
seinen früheren Verein RC Lüttich anhängig war. Bosman wollte nach Ablauf
seines Vertrages zum französische n Zweitligisten US Dünkirchen wechseln.
Der Transfer war aber geplatzt, weil der RC Lüttich an der Zahlungsfähigkeit
Dünkirchens zweifelte und keine Freigabebescheinigung beantragte. Diese
aber war Voraussetzung für einen Vereinswechsel. Bosman, der auch i n
Lüttich nicht mehr aufgestellt wurde, wurde arbeitslos.
Die europäische Fußballverband UEFA bezweifelte zuerst die Zuständigkeit
des EuGH in Fußballfragen überhaupt. Der EuGH ließ jedoch keinen Zweifel
daran, daß ProfifußballerInnen, ganz normale ArbeitnehmerInnen im Sinne
des EG-Vertrags seien.
Bei Vereinswechseln (auch nach Vertragsende) mußte bisher in der Regel
eine Ablösesumme bezahlt werden, die laut UEFA eine Ausbildungs- und Förderungsentschädigung
sein soll. Das überzeugte den EuGH jedoch nicht, da sich die Transfersumme
nicht nach den ta tsächlichen Ausbildungskosten bemaß, sondern nach Gehalt
und Alter der jeweiligen SpielerInnen. Da bei diesem System die freie
Wahl des Arbeitsplatzes nicht gewährleistet ist, muß laut EuGH jetzt ein
anderes Regulativ gefunden werden, um die Ausbildung und Aufstellung junger
SpielerInnen zu fördern und um ein Gleichgewicht zwischen kapitalschwachen
und kapitalstarken Vereinen zu gewährleisten.
Abgeschafft ist das Ablösesystem durch das EuGH-Urteil allerdings nur
für EU-grenzüberschreitende Transfers. National bleibt es paradoxerweise
vorerst erhalten, soweit reichen die Kompetenzen des EuGH dann doch nicht.
Auch die von der EU-Kommission schon mehrmals erfolglos gerügten "AusländerInnenklauseln"
verstoßen gegen die ArbeitnehmerInnenfreiheit. Reiche Vereine könnten
jetzt also die europaweit besten Spieler konzentrieren, selbst wenn es
sich ausschließlich um EU -AusländerInnen handelt. Nur bei Nationalmannschaftsspielen
können weiterhin ausländische SpielerInnen ausgeschlossen werden.
Die UEFA hat, nachdem sie zuerst gegen das Urteil Sturm gelaufen war,
jetzt der Kommission zugesagt, die bestehenden Transferregelungen abzuschaffen.
Es könnte allerdings sein, daß versucht wird, das Verbot der Ausländerdiskriminierung
durch neue Regelunge n zu umdribbeln. So hatte etwa der Deutscher Fußballbund-Ligaausschuß
vorgeschlagen, Bundesligavereine zu verpflichten, mindestens zwölf LizenzspielerInnen
deutscher Staatsangehörigkeit unter Vertrag zu nehmen.
Annette Neidull, Gießen
Quellen und Literatur:
(Dokumentation des Urteils) Europäische Zeitung für Wirtschaftsrecht
(EuZW) 96, 82-92
(zu den jüngsten Entwicklungen) Handelsblatt vom 5. 3. 96
|
|