Heft 1 / 1997:
(Un)sicherheitsfaktor Polizei
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Norman Wojak
Drohung mit Atomwaffen völkerrechtswidrig
 

In einem Gutachten vom 8. Juli 1996 erklärte der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag die Androhung des Einsatzes und den Einsatz von Atomwaffen für grundsätzlich völkerrechtswidrig. Begründet wird dies damit, daß bei einem Einsatz von Atomwaffen die Einhaltung grundlegender Regeln des humanitären Kriegsvökerrechts nicht gewährleistet werden kann. So muß der Waffeneinsatz unterscheiden zwischen Soldaten und unschuldigen Zivilisten. Unnötige Grausamkeiten und Leiden müssen vermieden werden.
Der Gerichtshof ließ jedoch ausdrücklich offen, ob ein Staat in einer existenzgefährdenden Notwehrlage ausnahmsweise zur Selbstverteidigung Atomwaffen einsetzen darf oder nicht. Schließlich hob der IGH die strikte Rechtspflicht insbesondere der Atomwaffenstaaten hervor, Verhandlungen über die Abschaffung der Atomwaffen mit dem Ziel "Null" zu einem Abschluß zu bringen. Das Gutachten erging in der Kernaussage mit sieben zu sieben Stimmen, wobei die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag gab. Unter den Gegenstimmen finden sich auch drei Richter, die für Atomwaffeneinsätze keinerlei Rechtfertigung sahen.
Den Stein für das Gutachten brachten 1992 drei Organisationen ins Rollen, die sich zum "World Court Project" zusammengeschlossen hatten: die "Internationalen Ärzte gegen den Atomkrieg" (IPPNW), "Internationale Juristinnen und Juristen gegen Atomwaffen" (IALANA) und das "Internationale Friedensbüro" (IPB). Ihr konkretes Ziel war es, über Anträge einer UN-Sonderorganisation und nach Möglichkeit der UN-Generalversammlung ein Gutachten-Verfahren nach Art. 96 der UN-Charta beim IGH einzuleiten, um einen Richterspruch über die Völkerrechtswidrigkeit von Atomwaffen herbeizuführen. Gegen heftigen Widerstand der Atomwaffenstaaten und ihrer Verbündeten konnte durch intensive Mobilisierungsarbeit 1993 ein Antrag der Weltgesundheitsorganisation und 1994 ein Antrag der UN-Generalversammlung erreicht werden. Zur Unterstützung wurden weltweit über 100 Millionen Unterschriften gesammelt.
Werden sich aus dem IGH-Gutachten auch für Deutschland Konsequenzen ergeben? Nach Art. 25 des Grundgesetzes sind auch die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts und müssen somit von den drei Staatsgewalten beachtet werden. Nach Ansicht von IALANA ist die Politik der "nuklearen Teilhabe" der Bundeswehr im Rahmen der NATO (insbesondere die Bereitstellung von Tornado-Trägersystemen für den Atomwaffeneinsatz) nicht länger haltbar. Mit dieser Position wird sie sich aber wohl nicht durchsetzen können, da ja auch im Rahmen der Nato Atomwaffen nur zu Verteidigungszwecken eingesetzt werden sollen.
Jetzt ist wieder politischer Druck gefordert.

Norman Wojak, Bochum

Quellen und Literatur:

"(zum Urteil) Communiqué des IGH v. 08.07.1996, in: Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Rundschau, Financial Times, The Independent v. 09.07.1996; IALANAPressemitteilung v. 12.07.1996., in: JuristenZeitung 1996, 1013.
(zum IGH) Chemillier-Gendrau, Le Monde Diplomatique (dt. Ausg.) November 1996; Rath, Forum Recht 1993, 119.