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In einem Gutachten vom 8. Juli 1996 erklärte der Internationale Gerichtshof
(IGH) in Den Haag die Androhung des Einsatzes und den Einsatz von Atomwaffen
für grundsätzlich völkerrechtswidrig. Begründet wird dies damit, daß bei
einem Einsatz von Atomwaffen die Einhaltung grundlegender Regeln des humanitären
Kriegsvökerrechts nicht gewährleistet werden kann. So muß der Waffeneinsatz
unterscheiden zwischen Soldaten und unschuldigen Zivilisten. Unnötige
Grausamkeiten und Leiden müssen vermieden werden.
Der Gerichtshof ließ jedoch ausdrücklich offen, ob ein Staat in einer
existenzgefährdenden Notwehrlage ausnahmsweise zur Selbstverteidigung
Atomwaffen einsetzen darf oder nicht. Schließlich hob der IGH die strikte
Rechtspflicht insbesondere der Atomwaffenstaaten hervor, Verhandlungen
über die Abschaffung der Atomwaffen mit dem Ziel "Null" zu einem Abschluß
zu bringen. Das Gutachten erging in der Kernaussage mit sieben zu sieben
Stimmen, wobei die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag gab. Unter den
Gegenstimmen finden sich auch drei Richter, die für Atomwaffeneinsätze
keinerlei Rechtfertigung sahen.
Den Stein für das Gutachten brachten 1992 drei Organisationen ins Rollen,
die sich zum "World Court Project" zusammengeschlossen hatten: die "Internationalen
Ärzte gegen den Atomkrieg" (IPPNW), "Internationale Juristinnen und Juristen
gegen Atomwaffen" (IALANA) und das "Internationale Friedensbüro" (IPB).
Ihr konkretes Ziel war es, über Anträge einer UN-Sonderorganisation und
nach Möglichkeit der UN-Generalversammlung ein Gutachten-Verfahren nach
Art. 96 der UN-Charta beim IGH einzuleiten, um einen Richterspruch über
die Völkerrechtswidrigkeit von Atomwaffen herbeizuführen. Gegen heftigen
Widerstand der Atomwaffenstaaten und ihrer Verbündeten konnte durch intensive
Mobilisierungsarbeit 1993 ein Antrag der Weltgesundheitsorganisation und
1994 ein Antrag der UN-Generalversammlung erreicht werden. Zur Unterstützung
wurden weltweit über 100 Millionen Unterschriften gesammelt.
Werden sich aus dem IGH-Gutachten auch für Deutschland Konsequenzen ergeben?
Nach Art. 25 des Grundgesetzes sind auch die allgemeinen Regeln des Völkerrechts
Bestandteil des Bundesrechts und müssen somit von den drei Staatsgewalten
beachtet werden. Nach Ansicht von IALANA ist die Politik der "nuklearen
Teilhabe" der Bundeswehr im Rahmen der NATO (insbesondere die Bereitstellung
von Tornado-Trägersystemen für den Atomwaffeneinsatz) nicht länger haltbar.
Mit dieser Position wird sie sich aber wohl nicht durchsetzen können,
da ja auch im Rahmen der Nato Atomwaffen nur zu Verteidigungszwecken eingesetzt
werden sollen.
Jetzt ist wieder politischer Druck gefordert.
Norman Wojak, Bochum
Quellen und Literatur:
"(zum Urteil) Communiqué des IGH v. 08.07.1996, in: Süddeutsche Zeitung,
Frankfurter Rundschau, Financial Times, The Independent v. 09.07.1996;
IALANAPressemitteilung v. 12.07.1996., in: JuristenZeitung 1996, 1013.
(zum IGH) Chemillier-Gendrau, Le Monde Diplomatique (dt. Ausg.) November
1996; Rath, Forum Recht 1993, 119.
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