Heft 2 / 1997:
Rost, Roben und Reformen
Alternativen für die Justiz
xxx

Oliver Schilling
Visumspflicht für ausländische Kinder eingeführt
 

Ein bißchen erwachsener dürfen sich ausländische Kids nun fühlen: Wie ihre Eltern, so benötigen nun auch sie eine Genehmigung, um in Deutschland leben zu dürfen. Der entsprechenden Eilverordnung von Bundesinnenminister Manfred Kanther haben Bundestag und Bundesrat Mitte März zugestimmt. Demnach müssen sich alle 800 000 Kinder aus Nicht-EU-Staaten innerhalb Deutschlands eine Aufenthaltsgenehmigung verschaffen, um sich rechtmäßig in Deutschland aufzuhalten. Kinder, die aus dem Ausland zu ihren in der Bundesrepublik lebenden Eltern reisen, brauchen künftig ein Visum.
Eine Verschlechterung stellt dies vor allem für die rund 600 000 Kinder aus ehemaligen Anwerbestaaten wie der Türkei und (Ex-)Yugoslawien dar. Das Ausländergesetz erlaubte ihnen bisher, bis zum 16. Lebensjahr ohne Genehmigung in Deutschland zu leben. Anschließend bekamen sie meist problemlos eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung. Kanther hatte die Eilverordnung am 14. Februar 1997 verkündet. MigrantInnenorganisationen, KirchenvertreterInnen, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände hatten den SPD-dominierten Bundesrat daraufhin aufgefordert, die Eilverordnung abzulehnen. Tatsächlich haben nun auch zahlreiche SPD-Landesregierungen der Verordnung zur Mehrheit verholfen, nachdem sie einige Schönheitskorrekturen anbringen konnten.
So sollen Kinder aus ehemaligen Anwerbestaaten "besonders unbürokratisch" eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Sie haben nun bis Mitte 1998 Zeit, sich diese Genehmigung zu besorgen -ein halbes Jahr länger als ursprünglich geplant. Kinder, die im Ausland aufwachsen, deren Familien aber ganz oder teilweise in Deutschland leben, sollen weiterhin nach den Regelungen des Familiennachzugs (§§ 17 ff. Ausländergesetz) behandelt werden. Ferner hat der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, Kinderbesuche auch dann zu ermöglichen, wenn die Eltern nur über wenig Wohnraum oder Einkommen verfügen. Die Bundesregierung soll das Ausländergesetz entsprechend ergänzen.
Mit der neuen Regelung will die Bundesregierung den Kindern etwas Gutes tun: Allzu oft seien sie durch die bisherige Regelung Opfer ihrer im Ausland lebenden Eltern geworden. Diese hätten die Kinder oftmals gegen ihren Willen zu Angehörigen nach Deutschland geschickt, um zur Schule zu gehen, im Familienbetrieb mitzuarbeiten oder auch, um verheiratet zu werden. Wenn sie dann mit 16 Jahren eine Aufenthaltserlaubnis benötigten, drohte ihnen meist die Abschiebung.
Unbekannt ist bisher die Zahl der Kinder von illegal in Deutschland lebenden Eltern. Allein in Hamburg wird sie auf mindestens 3000 geschätzt. Für sie kann nur dann von einer Ausweisung abgesehen werden, wenn sie als "ungewöhnlicher Härtefall" anzusehen sind.

Oliver Schilling, Bonn

Quellen und Literatur:

Tageszeitungen vom 13.-17.02. u. 15.03.1997; Der Spiegel 4/1997, 76 f.