Heft 3 / 1997:
Alles fließt
Recht im Geldstaat
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Ulrike Heither
Vergewaltigung in der Ehe ist strafbar
 

Nach langen Diskussionen im Bundestag ist die Vergewaltigung in der Ehe jetzt strafbar. Die BRD war bisher eines der wenigen europäischen Länder, das Ehefrauen das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung immer noch verwehrte.
Nach dem neuen Gesetz wird nicht mehr zwischen Fällen von Vergewaltigung oder sexueller Nötigung, die unter Eheleuten begangen werden und solchen zwischen Nichtverheirateten unterschieden. Zudem werden die Vorschriften geschlechtsneutral formuliert - auch die homosexuelle Vergewaltigung fällt demnach unter § 177 Strafgesetzbuch (StGB), dessen Mindeststrafmaß von vorher zwei Jahren auf eines gesenkt wurde. Dadurch soll den Gerichten die Möglichkeit eröffnet werden, die Strafe zur Bewährung auszusetzen. Dem erzwungenen Beischlaf werden andere erzwungene sexuelle Handlungen, die das Opfer besonders demütigen (z.B. Anal- oder Oralverkehr) gleichgestellt. Eine Widerspruchsklausel gibt es nicht. Diese war von der CDU-Fraktion gefordert und lange umstritten. Mit ihr sollte die Ehefrau die eingeleitete Strafverfolgung gegen ihren Ehemann stoppen können. Das Widerspruchsrecht lädt den gewalttätigen Ehemann geradezu ein, weiter Druck auf seine Frau auszuüben, damit sie ihre Anzeige zurückzieht und er straflos davonkommt. Dadurch würde das grundsätzlich bei einem Verbrechen bestehende öffentliche Interesse an der Strafverfolgung in Frage gestellt. Sexuelle Gewalt ist aber nicht das persönliche Problem einzelner Menschen, sondern ein gesellschaftliches. Dies haben nun wohl auch einige CDU-Abgeordnete eingesehen.
Den gesellschaftlichen Sexismus kann man nicht allein mit einer Reform des Sexualstrafrechts angehen. Sie ist jedoch ein Schritt, die sexuelle Selbstbestimmung der Frau mehr zu schützen, ein Etappensieg der Frauenbewegung. Aber was kommt nach diesem Sieg? Leider zeigte bisher nur eine kleine Anzahl von Ehefrauen ihren angetrauten Vergewaltiger an. Es ist schwer vorauszusagen, ob die Zahl der Anzeigen steigen wird. Bei der Verfolgung müssen zudem auch Staatsanwaltschaft und Gericht ihre Aufgaben erfüllen. Dafür ist es wichtig, daß es endlich einen für vergewaltigte Frauen würdigen Strafprozeß gibt. Reformen bezüglich der Behandlung von Sexualstraftaten im Prozeß, die die Rechte der Frauen und Mädchen als Zeuginnen und Nebenklägerinnen verbessern, sind deshalb dringend notwendig und dürfen nicht vergessen werden. Zu diesem Bereich liegt jedoch bisher nur ein Reformvorschlag der PDS vor. Kaum einen Fortschritt bedeuten die neuen Regelungen auch für geistig und körperlich behinderte Frauen. Ihre Vergewaltigung kann nach § 179 StGB (Sexueller Mißbrauch an Widerstandsunfähigen) unverändert milder bestraft werden.

Ulrike Heither, Göttingen

Quellen:

zum neuen Vergewaltigungsstrafrecht) Frankfurter Rundschau v. 15.05.1997; tageszeitung (taz) v. 16. u. 17.05.1997.
(zum Reformvorschlag der PDS) Bundestags-Drucksache 13/536.