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Nach langen Diskussionen im Bundestag ist die Vergewaltigung in der Ehe
jetzt strafbar. Die BRD war bisher eines der wenigen europäischen Länder,
das Ehefrauen das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung immer noch verwehrte.
Nach dem neuen Gesetz wird nicht mehr zwischen Fällen von Vergewaltigung
oder sexueller Nötigung, die unter Eheleuten begangen werden und solchen
zwischen Nichtverheirateten unterschieden. Zudem werden die Vorschriften
geschlechtsneutral formuliert - auch die homosexuelle Vergewaltigung fällt
demnach unter § 177 Strafgesetzbuch (StGB), dessen Mindeststrafmaß von
vorher zwei Jahren auf eines gesenkt wurde. Dadurch soll den Gerichten
die Möglichkeit eröffnet werden, die Strafe zur Bewährung auszusetzen.
Dem erzwungenen Beischlaf werden andere erzwungene sexuelle Handlungen,
die das Opfer besonders demütigen (z.B. Anal- oder Oralverkehr) gleichgestellt.
Eine Widerspruchsklausel gibt es nicht. Diese war von der CDU-Fraktion
gefordert und lange umstritten. Mit ihr sollte die Ehefrau die eingeleitete
Strafverfolgung gegen ihren Ehemann stoppen können. Das Widerspruchsrecht
lädt den gewalttätigen Ehemann geradezu ein, weiter Druck auf seine Frau
auszuüben, damit sie ihre Anzeige zurückzieht und er straflos davonkommt.
Dadurch würde das grundsätzlich bei einem Verbrechen bestehende öffentliche
Interesse an der Strafverfolgung in Frage gestellt. Sexuelle Gewalt ist
aber nicht das persönliche Problem einzelner Menschen, sondern ein gesellschaftliches.
Dies haben nun wohl auch einige CDU-Abgeordnete eingesehen.
Den gesellschaftlichen Sexismus kann man nicht allein mit einer Reform
des Sexualstrafrechts angehen. Sie ist jedoch ein Schritt, die sexuelle
Selbstbestimmung der Frau mehr zu schützen, ein Etappensieg der Frauenbewegung.
Aber was kommt nach diesem Sieg? Leider zeigte bisher nur eine kleine
Anzahl von Ehefrauen ihren angetrauten Vergewaltiger an. Es ist schwer
vorauszusagen, ob die Zahl der Anzeigen steigen wird. Bei der Verfolgung
müssen zudem auch Staatsanwaltschaft und Gericht ihre Aufgaben erfüllen.
Dafür ist es wichtig, daß es endlich einen für vergewaltigte Frauen würdigen
Strafprozeß gibt. Reformen bezüglich der Behandlung von Sexualstraftaten
im Prozeß, die die Rechte der Frauen und Mädchen als Zeuginnen und Nebenklägerinnen
verbessern, sind deshalb dringend notwendig und dürfen nicht vergessen
werden. Zu diesem Bereich liegt jedoch bisher nur ein Reformvorschlag
der PDS vor. Kaum einen Fortschritt bedeuten die neuen Regelungen auch
für geistig und körperlich behinderte Frauen. Ihre Vergewaltigung kann
nach § 179 StGB (Sexueller Mißbrauch an Widerstandsunfähigen) unverändert
milder bestraft werden.
Ulrike Heither, Göttingen
Quellen:
zum neuen Vergewaltigungsstrafrecht) Frankfurter Rundschau v. 15.05.1997;
tageszeitung (taz) v. 16. u. 17.05.1997.
(zum Reformvorschlag der PDS) Bundestags-Drucksache 13/536.
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