Heft 3 / 1997:
Alles fließt
Recht im Geldstaat
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Ulrike Spangenberg
Diskriminierung unzureichend bestraft
 

Bereits zum dritten Mal kritisierte der Europäische Gerichtshof (EuGH) im April die deutsche Schadensersatzregelung bei Diskriminierungen wegen des Geschlechts im Erwerbsleben. Die Regelung des § 611 a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wonach ArbeitnehmerInnen, sofern sie eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts nachweisen können, Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von drei Monatsgehältern haben, sei unvereinbar mit einer 1976 erlassenen EG-Richtlinie, die auf die Verwirklichung der Gleichbehandlung von Frauen und Männern abzielt. Wie schon früher kritisierte der EuGH das Erfordernis eines Verschuldensnachweises von ArbeitgeberInnen. Allein der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot müsse für die volle Haftung der VerursacherInnen ausreichen. Ebenso unvereinbar mit der genannten EG-Richtlinie ist die Schadensbegrenzung auf drei Monatsgehälter. Eine Sanktion müsse, um wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten, eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber diskriminierenden ArbeitgeberInnen entfalten und dem erlittenen Schaden angemessen sein. Dabei müsse unterschieden werden zwischen BewerberInnen, die qualifizierter sind als die eingestellte Person und solchen, die auch bei diskriminierungsfreier Auswahl die Stelle nicht erhalten hätten. Eine Schadensbegrenzung auf drei Monatsgehälter, die das deutsche Zivil- und Arbeitsrecht ansonsten überhaupt nicht kennt, sei nur für letztere angemessen. Unter den gleichen Gesichtspunkten wird auch die in § 61 b Arbeitsgerichtsgesetz festgelegte Schadensbegrenzung auf insgesamt sechs Monatsgehälter für mehrere diskriminierte BewerberInnen abgelehnt.
Die Bundesregierung muß sich nun um eine Nachbesserung der beanstandeten Normen Gedanken machen. Inwieweit sich dadurch jedoch Diskriminierungen im Erwerbsleben, insbesondere von Frauen, tatsächlich einschränken lassen, ist fraglich. Ist die zu besetzende Stelle nicht gerade unbegründet geschlechtsspezifisch ausgeschrieben und damit offensichtlich diskriminierend, dürfte es schwer sein, eine Benachteiligung während des Auswahlverfahrens nachzuweisen - nicht zuletzt wegen der oft auf Männer zugeschnittenen Auswahlkriterien. Um diskriminierende ArbeitgeberInnen tatsächlich abzuschrecken, müßten Benachteiligungen zudem auch eingeklagt werden. Trotz des relativ geringen Kostenrisikos gibt es jedoch nur wenige Klagen. Und wie auch bei sonstigen zivil- und arbeitsrechtlichen Klagen sind es auch hier wenige Frauen, und dann meist Akademikerinnen, die ihre Rechte auf Gleichberechtigung einklagen.

Ulrike Spangenberg, Göttingen

Quellen:

(Urteil) RsC/180/95; (Richtlinie) 76/207/EW. taz v. 23. u. 24.04.1997; ZIP 1997, 798 ff.; Tageszeitungen v. 11.04.1997.