Heft 2 / 1999:
Zensur Macht Meinung
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Forum Recht Redaktion
Zensur Macht Meinung
 

Ein chinesisches Gericht verurteilte kürzlich wegen subversiver Benutzung des Internets einen jungen Ingenieur zu zwei Jahren Freiheitsstrafe. Zusätzlich wurden ihm für ein weiteres Jahr die "bürgerlichen Rechte" aberkannt. Er hatte ein Magazin von im Exil lebenden DissidentInnen verbreitet, das sich zum Ziel gesetzt hat, durch Information über politische Prozesse, Korruptionsfälle und Demonstrationen das chinesische Zensursystem zu unterlaufen.
Solche spektakulären Fälle sind irgendwie beruhigend.
Sie geben uns - obwohl wir wissen, daß Unterdrückung von Informationen subtiler vor sich geht - das unbestimmmte Gefühl, "zensurfrei" zu leben: Die echte Zensur findet in China statt.
Wir hingegen diskutieren lebhaft über das scheinbare Gegenteil, über eine Informations- und Kommunikationsgesellschaft und ihren Ausbau von Informationsmedien. Es gibt die eigene Homepage, die Diskussionsforen im Internet und das alternative, unabhängige Stadtradio, das auch diejenigen zu Wort kommen läßt, die vorher ihrer Stimme nur schwer Gehör verschaffen konnten. Wir schaffen es zum Teil sogar nicht mehr, die Nachrichtenangebote vernünftig zu nutzen. Von Zensur ist da wenig zu spüren.
Das mag ein Grund dafür sein, warum das Thema aus der aktuellen (rechts-)politischen Diskussion fast verschwunden ist. Oder fehlt es nur an politischen Ideen und Aktionen, die sich ausreichend kritisch und radikal mit den Gesellschaftsverhältnissen in der BRD auseinandersetzen, als daß sie von staatlicher Seite verhindert werden müssten? Zumindest noch in den 80er Jahren wurde intensiv über die Diskriminierung der kritischen Meinungsäußerung und Einschüchterung offener politischer Diskussionen gezankt.
Mit dem aktuellen Heft wollen wir daran nicht nahtlos anküpfen - aber wir wollen versuchen, wieder (zuletzt Forum Recht 1/1991) für ein Thema zu sensibilisieren, daß unter den veränderten Vorzeichen der neuen Informations- und Kommunikationsdienste zunehmend an Brisanz gewinnt und in Zukunft zum Beispiel mit den Stichwörtern Medienkonzentration, freiwillige Selbstkontrolle, öffentlicher und diskriminierungsfreier Zugang zu den neuen Medien, Medienkompetenz usw. neu zu diskutieren sein wird.