Heft 4 / 1999:
Verfassungspotentiale?
50 Jahre Grundgesetz
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BGS tötet Asylbewerber
 

Seit der faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl mit der Grundgesetzänderung von 1993 hat sich die rassistische Politik gegenüber AsylbewerberInnen stetig verschärft. Auch die rot-grüne Bundesregierung setzt diesen staatlich organisierten Rassismus in ihrer Asylpolitik bruchlos fort. Neben vielen anderen diskriminierenden Gesetzen und Verwaltungspraktiken hält die neue Regierung auch an der brutalen Abschiebepraxis der vergangenen Jahre fest. Dies trat in erschreckender Eindeutigkeit zutage, als Ende Mai 1999 der Bundesgrenzschutz den abgelehnten Asylbewerber Aamir Ageep bei dem Versuch seiner Abschiebung tötete. Die Bundesgrenzschutz-Beamten sollten den Sudanesen in einer Maschine der Lufthansa von Frankfurt über Kairo nach Khartum abschieben. Der Flüchtling war nicht zur freiwilligen Ausreise in den Sudan bereit.
Viele abgelehnte AsylbewerberInnen haben panische Angst vor der Rückkehr in den Verfolgerstaat, da sie nicht selten mit ihrer Verhaftung und Bedrohung ihres Lebens rechnen müssen. Je größer die Angst, um so mehr ist mit Widerstand gegen die Abschiebung zu rechnen. Eine bedingungslose Durchsetzung von Abschiebungen bedient sich dann - wie im Falle des Sudanesen - gewalttätiger Methoden. Nach gängiger Praxis setzte man dem sudanesischen Flüchtling zur Ruhigstellung einen Motorradhelm auf. Wie die BGS-Beamten aussagten, habe man beim Start des Flugzeugs den Kopf des Sudanesen "zur Fixierung nach unten gedrückt". Da der Mann Widerstand geleistet habe, sei ihm "zu seiner eigenen Schutz" ein Motorradhelm aufgesetzt worden. Außerdem wurde er an den Händen und Füßen gefesselt. Nachdem das Flugzeug gestartet war, hat der Mann kein Lebenszeichen mehr von sich gegeben.
Dieser Todesfall hat die rot-grüne Bundesregierung nun für einige Wochen dazu veranlaßt, die deutsche Abschiebepraxis zu entschärfen. Innenminister Schily ordnete den Stop gewaltsamer Abschiebungen an. Abschiebungen mit dem Flugzeug seien dann auszusetzen, wenn sich massiver Widerstand von Betroffenen abzeichne. Bereits einen Monat später widerrief Schily diese Anordnung wieder. Seit dem 26. Juni 1999 darf der Bundesgrenzschutz wieder gewaltsam abschieben. Lapidar wird festgestellt, daß in Zukunft bei der Anwendung von Gewalt eine "unbeeinträchtigte Atmung" gewährleistet sein müsse. Nach den neuen Abschiebe-Richtlinien soll also freies Atmen gewährleistet werden. Wenn dies bis jetzt allerdings nicht zu beachten war, so wundert man sich eigentlich, daß in der Vergangenheit doch noch relativ viele Flüchtlinge ihre Abschiebung überlebt haben.

Marei Pelzer, Berlin.

Quelle: ak vom 10.06.1999, taz vom 31.05.1999.