Heft 1 / 2000:
status quo vadis
Die Europäische Union zwischen Neoliberalismus und Demokratisierung
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Jens Neubert Zum ersten Artikel des Schwerpunkts Zur Rubrik Ausbildung Zur Rubrik Recht kurz Zum Sammelsurium Zur Rubrik Politische Justiz Zur BAKJ-Seite
Jubiläumstaumel oder Reflexion?
10 Jahre Bundesarbeitskreis kritischer Juragruppen (BAKJ)
 

Kurz vor dem Ende des letzten Jahrtausends war die Welt in Jubiläumsstimmung. Hier wurde deswegen viel zurückgeblickt, auf Schultern geklopft und lobgepriesen: das Grundgesetz wurde 50, die Wiedervereinigung ging in ihr zehntes Jahr und Ikea feierte 25. Geburtstag.
Das zehnjährige Bestehen des BAKJ fiel angesichts dieses Taumels nicht weiter ins Gewicht. Trotzdem ist der 9. Dezember 1989 ein Datum, welches zumindest für kritische Jurastudierende eine Bedeutung hat. An diesem Tag gründete sich der BAKJ als Folge und Ausdruck einer mehrjährigen bundesweiten Zusammenarbeit von links-alternativen Juragruppen, die mit der gemeinsamen Herausgabe des rechtspolitischen Magazins Forum Recht begonnen hatte.1 Die Publikation kritischer Stimmen zur Justiz und Rechtspolitik sollte auch weiterhin Ziel der neuen Organisationsform BAKJ bleiben, weswegen die Herausgabe von Forum Recht von Anfang an eine wichtige Aufgabe des Bundesarbeitskreises war. Daneben sollten jedoch Veranstaltungen organisiert und Bündnisse geknüpft werden, um sich besser in aktuelle rechtspolitische Diskussionen einbringen zu können.2 Außerdem wurde der Kampf um die Reform der juristischen Ausbildung fast zwangsläufig zu einem weiteren Arbeitsschwerpunkt des BAKJ. Insbesondere durch diesen Kampf wurde der BAKJ auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Ein Vergleich der Pressemeldungen von 1990 und 1999 läßt allerdings erkennen, daß die BAKJ-Position gleich geblieben ist, die Situation in der Ausbildung sich aber offensichtlich nicht verbessert hat.3 Rückblickend muß deshalb wohl kritisch angemerkt werden, daß die Position des BAKJ die herrschenden EntscheidungsträgerInnen nicht besonders beeindruckt und damit die Ausbildungsrealität kaum beeinflußt hat. Diese Erkenntnis beschränkt sich jedoch nicht auf die Diskussion um die juristische Ausbildung. Sie läßt sich immer wieder auch aus den regelmäßigen Berichten der Basisgruppen herauslesen. Hier wurde oft schon sehr früh mit viel Aufwand zu Themen gearbeitet, die heute an Brisanz eher zugenommen haben. So plante die BAKJ-Gruppe aus Bremen bereits in der Gründungsphase in den achtziger Jahren Aktionen gegen die Einmischung der Wirtschaft in die Hochschule, Göttingen kämpfte gegen Studiengebühren und Berlin engagierte sich in der vermeidbaren Debatte um die Innere Sicherheit 4 - links-alternative Kritik an Rechtspolitik ist angesichts heutiger Machtverhältnisse eben auch Opposition und das Festhalten an Mindermeinungen.
Trotz dieser manchmal ernüchternden Feststellungen soll nicht unerwähnt bleiben, daß es Momente gab, in denen der BAKJ zumindest in und mit Bündnissen "großes" geleistet hat. Beispielhaft seien hier das Aktionsbündnis von 1992 gegen die demokratisch, sozial und ökologisch mangelhaften Maastrichter Verträge genannt,5 sowie die Beteiligung am Bürgerforum Paulskirche 1993 und 1994 und an der Kampagne gegen den Großen Lauschangriff 1996. Hinzu kommen die zweimal jährlich stattfindenden BAKJ-Kongresse, die im Sommer meist rechtspolitischen Schwerpunktthemen und im Winter insbesondere der "Selbstorganisation" gewidmet sind. Hier wurde immer auch Öffentlichkeitsarbeit mittels Resolutionen und Aktionen betrieben. Die TeilnehmerInnen des letzten Sommerkongresses in Hamburg sprachen sich gegen den aktuellen Abbau von Grundrechten aus und demonstrierten gemeinsam mit den ReferentInnen gegen einen geplanten Naziaufmarsch.6
Gerade im Hinblick auf die zahlreichen Kongresse der letzten Jahre richtet sich das Augenmerk auf eine wichtige Prämisse der Arbeit des BAKJ, die sich in den vergangenen Jahren wohl zu Recht nicht verändert hat: "Priorität hat die Außenwirkung nach innen".7 Was damit gemeint ist, läßt sich noch am besten bei einem Kongreßbesuch selbst erfahren. Viele StudienanfängerInnen machen dort die enorm beruhigende Erfahrung, daß es zumindest bundesweit noch einige hundert links-alternative RechtswissenschaftlerInnen gibt, und selbst auf "alte BAKJ-Hasen" können sich die Kongresse noch anregend und vor allem motivierend in bezug auf ihre rechtspolitische Arbeit auswirken. Der SprecherInnenrat trägt zwischen diesen Bundestreffen vor allem durch die regelmäßige Erstellung eines Rundbriefes zur "Außenwirkung nach innen" bei. So werden alle Interessierten über die Arbeit der BAKJ-Gruppen auch in kongreßlosen Zeiten informiert und auf rechtspolitisch relevante Themen und Termine hingewiesen.
Dementsprechend läßt sich zum Schluß auch festhalten, was allen am BAKJ Beteiligten wohl schon immer klar war: die Grundlage und der beste Grund für den BAKJ sind funktionierende Basisgruppen. Hiervon könnte es ruhig noch mehr geben, aber zumindest hat sich ihre Zahl seit der Gründung immer wieder erhöht. So thematisierten 1989 noch 18 Gruppen rechtspolitische Fragen, während es 1995 schon 21 waren und sich heute ganze 24 Gruppen zu eben diesem Zweck im BAKJ organisieren. Für deren Mitglieder und sicher auch für andere kritische RechtswissenschaftlerInnen ist der BAKJ zweifellos eine gute und wichtige Organisation.

Jens Neubert sutdiert Jura in Hamburg und ist Mitglied des BAKJ-SprecherInnenrats.

Anmerkungen:

1 Vgl. Selbstdarstellung des BAKJ von 1990; zur gemeinsamen Vorgeschichte von Forum Recht (FoR) und dem BAKJ auch FoR 1993, 71 f.
2 Vgl. FoR 1990, 71 und zu Aufgaben und Zielen des BAKJ das Statut von 1989 (1996 geringfügig verändert).
3 Vgl. JuS, Heft 3/90, S. XII; Süddeutsche Zeitung v. 16.11.1999 und zahlreiche Beiträge im FoR, sowie Bela Rogalla zur aktuellen Situation, 25 f. in diesem Heft.
4 Vgl. Protokoll des Bundestreffens v. 28.04.1988.
5 die tageszeitung (taz) vom 23.06.1992; Neues Deutschland v. 22.06.1992.
6 taz-Hamburg v. 12.07.1999; junge welt v. 13.07.1999.
7 Vgl. gleichnamigen Artikel von Christian Rath, FoR 1995, 34 f.