Heft 1 / 2000:
status quo vadis
Die Europäische Union zwischen Neoliberalismus und Demokratisierung
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Friederike Wapler Zum ersten Artikel des Schwerpunkts Zur Rubrik Ausbildung Zur Rubrik Recht kurz Zum Sammelsurium Zur Rubrik Politische Justiz Zur BAKJ-Seite
Im heißen Streit die Rechte erkämpft
Frauen in der Geschichte des Rechts
 

Ute Gerhard (Hrsg): Frauen in der Geschichte des Rechts: Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart; Beck 1997, 960 Seiten, 98 DM

"UNERHÖRT!" So lautet der Titel eines Buches von Ute Gerhard aus dem Jahr 1990, in dem sie die Geschichte der Frauenbewegung nachzeichnet. Es ist ein kleines Taschenbuch, das die historische Entwicklung und die großen Streitpunkte dieser Bewegung in geraffter Form darstellt. Die ideale Einstiegslektüre, schwungvoll geschrieben, anschaulich und aufklärend.
Nun hat die Autorin ein Werk nachgereicht, das sich abermals mit der Frauenbewegung und den Frauenrechten auseinandersetzt. Ein wenig dicker ist es geraten, ein wenig teurer und um einiges tiefgründiger. War "Unerhört" noch ein Abriß der Frauengeschichte, der Neugierigen einen Einstieg in die Materie ermöglichte, wendet sich "Frauen in der Geschichte des Rechts" von Inhalt und Aufmachung her an ein historisch vorgebildetes Publikum. Dem Schwung der ersten Jahre folgt - wie so oft - die Akademisierung. Doch gibt es keinen Grund, sich zu beklagen, denn die Herausgeberin und ihre AutorInnen vermeiden die üblichen Auswüchse, die diese Entwicklung mit sich zu bringen pflegt. Weder befleißigen sie sich hochgestochener Fachsprachen, noch verrennen sie sich in Detailfragen. Alle Beiträge sind anschaulich und verständlich geschrieben und geeignet, das historische und juristische Wissen über das Leben der Frauen in Mitteleuropa zu erweitern.
Dieses Buch ist keine Enzyklopädie und keine Gesamtdarstellung der Frauengeschichte der letzten Jahrhunderte. Die Herausgeberin hat sich für eine bunte Sammlung von Aufsätzen entschieden und diese nach Epochen und Gesellschaftsordnungen geordnet. Die Untersuchungen behandeln für jeden Zeitabschnitt wiederkehrende Themen wie die Stellung der Frau in Familie und Arbeitswelt, im öffentlichen Leben und im Strafrecht. Ein Schwerpunkt liegt in der Frage, wie weit Frauen als Rechtspersonen anerkannt wurden. Quer durch die Epochen zeigt sich, daß die Stellung der verheirateten Frauen hier stets am schlechtesten war. Während ledigen und verwitweten Frauen in der Regel zugestanden wurde, ihr Vermögen selbständig zu verwalten und Handelsgeschäfte zu betreiben, stand die verheiratete Frau mit der Eheschließung unter der "Geschlechtsvormundschaft" des Mannes, was für sie bedeutete, daß sie die Verfügungsgewalt über ihr eigenes Vermögen verlor.

Kein Buch für den Elfenbeinturm

Doch auch ungewöhnlichere Einzelstudien finden ihren Platz, etwa die Untersuchung über ledige Mütter im Wien des 18. und 19. Jahrhunderts von Verena Pawlowsky oder der Beitrag zum Hebammenrecht in der Frühneuzeit von Beatrix Geisel. Letzterem läßt sich übrigens entnehmen, daß das erste konsequent geschlechtsneutral formulierte Gesetz zugunsten von Männern erlassen wurde: Im Jahre 1985 wurde im Hebammengesetz der schöne Begriff "Entbindungspfleger" für die männliche Hebamme aus der Taufe gehoben. Dies geschah lange bevor die entsprechende Forderung der Frauenbewegung, Frauen nicht mehr unter "Arzt" und "Professor" zu subsumieren, mit dem Hinweis abgetan wurde, die männlich klingenden Bezeichnungen seien in Wahrheit neutral gemeint.

Kein Recht fiel vom Himmel

Der Sammelband ist interdisziplinär angelegt und verfolgt das erklärte Ziel, neben frauenspezifischen Rechtsnormen aus verschiedenen Epochen auch die jeweilige Rechtswirklichkeit der Frauen zu beschreiben. Nebenbei läßt sich viel über die Kämpfe der Frauenrechtsbewegung erfahren: Der Streit um das Frauenwahlrecht findet ebenso breiten Raum wie der Widerstand der Frauenbewegung gegen die Verabschiedung des BGB, in dem die Vorherrschaft des Mannes in der Ehe zementiert wurde. Lobenswert ist auch, daß ein weiterer Beitrag von Beatrix Geisel eine überaus erfolgreiche Selbsthilfebewegung der frühen Frauenbewegung dem Vergessen entreißt: Die Rechtsschutzvereine, in denen zwischen 1894 und 1933 zahllose Frauen kostenlosen Rechtsrat erhielten. So wie hier wird an vielen Stellen deutlich, daß die Frauenbewegung auf achtenswerte Traditionen zurückgreifen kann und daß Veränderungen stets nur in langwierigen Auseinandersetzungen durchgesetzt werden konnten. So hofft denn auch die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts Jutta Limbach in ihrem Geleitwort, die Leserinnen und Leser möchten bei der Lektüre "in anschaulicher Weise erfahren..., daß Frauenrechte stets nur im heißen Streit erkämpft worden sind."
Noch eins bleibt schließlich positiv zu vermerken: Gerade die Konzeption als Sammelband führt dazu, daß viele Fragen offenbleiben. Die Lektüre kann und soll Anstöße für die weitere Forschung geben. Man versteht Ute Gerhard, wenn sie am Schluß ihrer Einleitung schreibt: "Die Fertigstellung dieses Werks ist nun ein Grund zum Aufatmen." Aber das letzte Wort in Sachen Frauenrechtsgeschichte ist längst nicht gesprochen. Möge die Herausgeberin also bald wieder Luft in den Lungen haben.

Friederike Wapler ist Referendarin in Göttingen.