Heft 1 / 2000:
status quo vadis
Die Europäische Union zwischen Neoliberalismus und Demokratisierung
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Norman Wojak Zum ersten Artikel des Schwerpunkts Zur Rubrik Ausbildung Zur Rubrik Recht kurz Zum Sammelsurium Zur Rubrik Politische Justiz Zur BAKJ-Seite
Von alten Autos und neuem Recht
Für mehr Transparenz und Partizipation in der europäischen Umweltpolitik
 

Zuerst die gute Nachricht: Der im Mai 1999 in Kraft getretene Vertrag von Amsterdam brachte im Umweltschutzbereich im Gegensatz zu anderen Politikfeldern teilweise erhebliche Verbesserungen. Durch zahlreiche Änderungen im Primärrecht, wie dem Vertrag über die Europäische Union (EUV) und den Vertrag über die Europäische Gemeinschaft (EGV) wurde der Umweltschutzgedanke aufgewertet und das demokratische Defizit reduziert.
Der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung fand durch den Amsterdamer Vertrag Eingang in die Präambel des EUV 1 und die Grundsätze des EGV 2. Das Ziel des Umweltschutzes rückte damit von den alten Umweltartikeln 130r bis 130t EGV an eine hervorgehobene Stelle des Vertrages neben wirtschaftliche Ziele wie der Verwirklichung des gemeinsamen Marktes oder der Wirtschafts- und Währungsunion. Die umweltpolitische Querschnittsklausel, die besagt, das die Erfordernisse des Umweltschutzes bei der Festlegung und Durchführung der Gemeinschaftspolitiken und -maßnahmen einbezogen werden müssen, rückte ebenfalls in den ersten Teil über die Grundsätze des EGV.
Der Einfluß des Europäischen Parlaments (EP) wurde erhöht. Bei den meisten Umweltregelungen wirkt das EP jetzt im Mitentscheidungsverfahren nach Art. 251 EGV mit. Im Unterschied zu dem bisher vorherrschenden Verfahren der Zusammenarbeit sind die Beteiligungsbefugnisse des EP jetzt wesentlich umfangreicher. Konnte vorher der Rat ein ablehnendes Votum des EP mit Einstimmigkeit überstimmen, ist jetzt mit einer Ablehnung des EP das Verfahren beendet. Das Parlament besitzt also ein echtes Vetorecht. Das Recht auf Zugang zu EU-Dokumenten wurde erstmals im EGV verankert. Art. 225 EGV sieht vor, daß jedeR UnionsbürgerIn und jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat grundsätzlich das Recht auf Zugang zu den Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission hat.3 Damit wurde der Informationszugang von einer administrativen Gewährung zu einem primärrechtlichen Informationsrecht weiterentwickelt. Damit entfällt zwar nicht die von Umweltschutzverbänden oft beklagte Entscheidungsfindung hinter verschlossenen Türen im Rat. Doch läßt sich nachträglich z. B. anhand der Sitzungsprotokolle nachvollziehen, wie die Verhandlungen im entscheidenden Gesetzgebungsorgan der EG verliefen und ob z. B. politische Kompromisse ausgehandelt wurden, in Bereichen die sachlich nichts miteinander zu tun haben. Insbesondere für Non-Governmental Organisations (NGOs) könnte das Recht auf Zugang zu Informationen zu den Organen der EG neue Einflußmöglichkeiten eröffnen. Entscheidend wird es aber hier wie auch in anderen Bereichen auf die konkrete Ausgestaltung des Rechts ankommen.

Und jetzt die schlechte Nachricht

In vielen Bereichen hat der Amsterdamer Vertrag keine Verbesserungen gebracht. Wichtige Bereiche europäischer Umweltgesetzgebung werden durch das Erfordernis der Einstimmigkeit im Rat weiterhin blockiert bleiben, wie z. B. die Einführung einer europaweiten CO2-/Energiesteuer.4 Auch wurde die von vielen Umweltschutzverbänden geforderte Verbesserung beim Rechtsschutz und eine europäische Verbandsklage nicht realisiert. Ein Recht auf saubere und gesunde Umwelt innerhalb eines Grundrechtskatalogs wurde ebenfalls nicht verwirklicht.
Auch wurde der Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EAGV) von 1957 nicht grundlegend reformiert. Noch immer ist darin eine umfangreiche Förderung der Kernforschung und der Atomwirtschaft geregelt. Insbesondere eine deutsche Atomausstiegspolitik wirkt noch unglaubwürdiger, wenn die Bundesregierung auf der europäischen Ebene keine Initiativen in diese Richtung startet, zumal 7 von 15 EAG-Mitgliedstaaten mittlerweile auf die zivile Nutzung der Kernenergie verzichten.5

Strengere nationale Maßnahmen möglich?

Dem gravierenden Problem des "levelling down" im Umweltschutzbereich, d. h. der Einigung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner bei gemeinschaftlichen Rechtsakten, versucht die EG neben der Betonung des Umweltschutzes an hervorgehobener Stelle in den Verträgen hauptsächlich durch drei Maßnahmen entgegenzuwirken. Zum einen orientiert sich die Kommission an strengen nationalen Regelungen, zum anderen wird ein hohes gemeinschaftliches Schutzniveau betont und strengere nationaler Alleingänge ermöglicht.
Strengere nationale Maßnahmen, z. B. bei umweltrechtlichen Produktnormen sind sowohl nach Art. 95 als auch nach Art. 176 EGV möglich. Der Streit über die richtige Rechtsgrundlage in der europäischen Umweltpolitik ist deshalb von Bedeutung, weil die genannten Vorschriften unterschiedliche Voraussetzungen für strengere Maßnahmen oder ein höheres Schutzniveau auf nationaler Ebene vorsehen. In Art. 95 Abs. 5 und 6 EGV wird klargestellt, daß bereits existierende und neue strengere nationale Maßnahmen im Umweltbereich unter den folgenden Voraussetzungen möglich sind: Sie müssen auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren, aufgrund eines spezifischen Problems für diesen Mitgliedstaat erforderlich sein und dürfen kein Mittel zur willkürlichen Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten und keine Behinderung des Funktionierens des Binnenmarktes sein. Diese Anforderungen stellen eine erhebliche Einschränkung dar, die es nach Ansicht einiger Umweltschutzverbände unmöglich machen wird, strengere nationale Maßnahmen nach Art. 95 EGV zu erlassen. Nach Art. 176 EGV ist es einfacher verstärkte Schutzmaßnahmen im Umweltbereich beizubehalten oder zu ergreifen. Für einen nationalen Alleingang ist kein Kontrollverfahren wie in Art. 95 EGV erforderlich.

Alte Autos

Auf der sekundärrechtlichen Ebene werden die positiven Richtlinien- oder Verordnungsvorschläge der Kommission oft von den Mitgliedstaaten im Rat, der immer noch das entscheidende Organ im europäischen Gesetzgebungsverfahren ist, blockiert6 oder verwässert. Deutschland spielt dabei eine eher unrühmliche Rolle. War Deutschland früher Vorreiterstaat der europäischen Umweltpolitik, der sich im Vergleich zu anderen EG-Staaten durch eine progressive Haltung, als Vertreter hoher Umweltstandards und einer weitgehend funktionierenden Umweltverwaltung auszeichnete, so erweist sich Deutschland in der letzten Zeit immer mehr als Bremser der europäischen Umweltpolitik.7 Dies gilt vor allem in der Gesetzgebungsphase. Illustratives Beispiel dafür ist der Streit um die EG-Altauto-Richtlinie.
Der Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, Axel Bunz, hat die Vorgänge um die Altauto-Richtlinie als "bedauerlichen Endpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft" bezeichnet, bei dem "europäische Interessen von einem spezifischen Wirtschaftsinteresse beiseite gedrängt worden seien".8
Was war geschehen? Nach mehrjähriger Vorbereitungsdauer kam im März 1999 ein von der europäischen Kommission erarbeiteter Vorschlag für eine Altauto-Richtlinie auf den Verhandlungstisch der europäischen Umweltminister. Die Kernbereiche des Entwurfs waren zwei Regelungen. Zum einen war vorgesehen, daß alle Altfahrzeuge in der EU, unabhängig vom Alter, vom Jahr 2003 an von der Automobilindustrie zurückgenommen und einer Verwertung zugeführt werden müßten. Zum anderen sollten alle Neufahrzeuge ab dem Baujahr 2001 beim Hersteller kostenlos zurückgegeben werden können.
Derzeit stammen ca. 46 % der 170 Mio. Autos auf den Straßen der EU aus deutschen Unternehmen. Jährlich werden in Deutschland zwischen 1,3 und 1,5 Mio. Altautos entsorgt, in Europa sind es nach Angaben der "Arbeitsgemeinschaft Altauto" (des Interessenverbandes der Auto-Verwerter in Deutschland) zwischen 7-9 Mio. Eine Verschrottung kostet je nach Kalkulation und Auto zwischen 150 DM (Umweltministerium) und 340 DM (Autohersteller).
Für die deutsche Autoindustrie hätte die von der Kommission vorgeschlagene Altauto-Regelung eine schmerzhafte Umstellung bedeutet. Der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) errechnete, daß im Falle einer Rücknahmeverpflichtung von 2003 an, ab sofort Rückstellungen zwischen 10 und 20 Milliarden DM gebildet werden müßten. Erst 1998 war es der deutschen Automobilindustrie kraft intensiver Lobbyarbeit gelungen aus der deutschen Altauto-Verordnung vom 1. April 1998 und einer freiwilligen Selbstverpflichtung alles herauszuhalten, was der Branche weh tun könnte. In Deutschland werden Altautos nach der nationalen Regelung nur dann kostenlos zurückgenommen, wenn die Erstzulassung nach dem 1. April 1998 erfolgt ist. Zum Zeitpunkt der Rückgabe dürfen die Fahrzeuge nicht älter als zwölf Jahre sein. Sie dürfen keine markenfremden Ersatzteile enthalten und müssen noch rollfähig sein.

Trittin tanzt nach Schröders Hupe

Angesichts der deutschen Regelung sah der "Kanzler aller Autos" Schröder9 keinen Zwang zur Eile für strengere europäische Vorschriften. Durch einen von Schröder erwirkten Kabinettsbeschluß hat Umweltminister Trittin im Juni 1999 mit Hilfe von Spanien und Großbritannien im Ministerrat die Verpflichtung zur Rücknahme der Altautos ab 2003 verhindert. Jetzt sind die Automobilhersteller erst ab dem Jahr 2006 in dieser Pflicht. Dafür müssen die Produzenten bei Neuwagen schon vom Jahr 2001 an die Rücknahme einkalkulieren.
Was vom Naturschutzbund als finale Blamage der deutschen EU-Ratspräsidentschaft bezeichnet wurde, stellt sich als komplexes Problem dar. In Deutschland wurde durch Zertifizierung von Verwertungsbetrieben und Verwerternachweise für die ordnungsgemäße Abgabe der Altfahrzeuge eine Infrastruktur zur umweltgerechten Entsorgung von Altautos geschaffen. Dieses wettbewerbsfreundliche System droht nun durch die neue Richtlinie zu zerbrechen, weil in Zukunft die in die Pflicht genommenen großen Autokonzerne bestimmen werden, wo die Verwertung stattfinden wird. Ein Verlagern der Verwertung in benachbarte Billiglohnländer ist wahrscheinlich. Auch die IG Metall kritisierte die Altauto-Richtlinie. Sie biete keine ausreichende Balance zwischen Ökologie, Beschäftigung und Ökonomie.
Eine Klage des Verbandes der deutschen Automobilindustrie vor dem Europäischen Gerichtshof könnte Erfolg haben. Die Verpflichtung zur kostenlosen Rücknahme von Fahrzeugen vom Jahr 2006 an, unabhängig vom Zulassungsdatum, ist sowohl im Hinblick auf den Vertrauensgrundsatz als auch auf das Rückwirkungsverbot problematisch.
Letztlich geht es darum, ob der Autobesitzer oder der Hersteller die Kosten zahlt. Erstere fahren überall in Europa. Letztere konzentrieren sich hauptsächlich in Deutschland. Die Kosten bleiben bei den Herstellern hängen, was zu gravierenden Auswirkungen auf die Gewinne und die Steueraufkommen in den autoproduzierenden Ländern führen kann. Unter dem Gesichtspunkt der Internalisierung von Umweltkosten ist die Altauto-Richtlinie wiederum vernünftig, weil in dem Neupreis bereits die Kosten für die Verwertung enthalten sind.
Insgesamt zeigt das Beispiel Altauto-Richtlinie, wie problematisch immer noch das Zusammenspiel nationaler und europäischer sowie wirtschaftlicher und ökologischer Interessen verläuft.

Umsetzungsprobleme und Vollzugsdefizit

Zwei weitere Probleme charakterisieren das europäische Umweltrecht. Zum einen ist dies die verspätete und fehlerhafte Umsetzung von EG-Richtlinien und zum anderen das Problem des effektiven Vollzuges.
Mit dem Erlaß zahlreicher Richtlinien wie zum Beispiel der Richtlinie über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt (UI-RL), der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-RL) oder der Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IVU-RL) wurden Regelungsinstrumente auf europäischer Ebene geschaffen, die in dem einen Mitgliedstaat mehr in dem anderen weniger oder gar nicht gebräuchlich waren. Um so schwieriger stellt sich die gemeinschaftseinheitliche Umsetzung dar. Zwar sind Richtlinien nach Art. 249 EGV nur in ihrem Ziel verbindlich und überlassen es dem Mitgliedstaat die Form und Mittel der Umsetzung. Indes sind selbst die Richtlinien mittlerweile so präzise gefaßt, daß es für die Mitgliedstaaten größere Umsetzungsprobleme gibt. Diese sind um so größer je mehr sich das nationale System von der europäischen Regelung unterscheidet. Regelungsziel der Umweltinformationsrichtlinie ist es z. B. jeder Person freien Zugang zu den bei Behörden befindlichen Informationen über die Umwelt zu geben. Im Gegensatz dazu ist das deutsche Verwaltungssystem, aufbauend auf den preußischen Verwaltungsgrundsätzen des Amtsgeheimnisses und der Effektivität der Verwaltung, eher nicht darauf ausgerichtet Informationen zur Verfügung zu stellen. Deshalb verwundert es kaum, daß Deutschland bisher mehrmals wegen fehlerhafter Umsetzung dieser Richtlinie vor dem EuGH im Wege eines Vertragsverletzungsverfahrens von der Kommission verklagt und vom Gerichtshof verurteilt wurde.10 In den skandinavischen Staaten verhält es sich anders. Dort zählt selbst die Offenlegung der Steuerdaten zur Informationskultur.11
Wegen einer Reihe von mangelnden Umsetzungen hat die Kommission in der letzten Zeit gegen mehrere Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet oder Klage erhoben. So laufen wegen fehlerhafter Umsetzung der Nitrat-Richtlinie (zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen) Vertragsverletzungsverfahren gegen zwölf Mitgliedstaaten. Gegen Deutschland und Luxemburg wurde bereits eine Klage eingereicht. Auf dem Gebiet des Vogelschutzes hat die Kommission gegen Deutschland, Italien, Portugal und Finnland wegen ungenügender Ausweisung von besonderen Schutzgebieten für wildlebende Vogelarten Klage erhoben. Ausserdem leitete die Kommission Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen lückenhafter Umsetzung der Gefahrstoff- und der Abfallrahmenrichtlinie ein. Schließlich wurden Griechenland und Deutschland wegen Nichtumsetzung der Richtlinie über die Behandlung von kommunalen Abwässern von der Kommission gerügt.
Der Ansatz eines medienübergreifenden integrierten Umweltschutzes der IVU-RL zur Vermeidung der Verlagerung der Verschmutzung von einem Umweltmedium auf ein anderes ist nicht in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen entwickelt. Insbesondere in Deutschland wird eher ein medienspezifischer Ansatz mit getrennten Konzepten zur isolierten Verminderung der Emissionen in Luft, Wasser und Boden verfolgt. In diesem Zusammenhang bestehen in Bezug auf die Umsetzung der IVU-Richtlinie und die Auswirkungen auf das deutsche Umweltrecht zahlreiche Probleme. So ist z. B. der Verbindlichkeitsgrad der in der Richtlinie geregelten "Grundpflichten" für die Betreiber von Anlagen unklar, weil diese nicht wie im deutschen Bundesimmissionsschutzgesetz als konkrete Handlungspflichten ausgestaltet sind, sondern lediglich bei der Genehmigung des Anlagenbetriebs als "allgemeine Prinzipien" berücksichtigt werden müssen. Problematisch ist auch der durch die Richtlinie festgelegte Maßstab für Emissionsgrenzwerte. Zwar spricht die IVU-Richtlinie vom Maßstab "der besten verfügbaren Technik". Jedoch wird dieser Maßstab gleich dreifach eingeschränkt. Die Technik ist nur dann "verfügbar", wenn die Anwendung "unter wirtschaftlich und technisch vertretbaren Verhältnissen" "unter Berücksichtigung des Kosten/Nutzen-Verhältnisses zu vertretbaren Bedingungen für den Betreiber zugänglich" ist. Durch diese Einbeziehung betriebswirtschaftlicher Elemente kann das Anforderungsniveau des "Standes der Technik" erheblich herabgesetzt werden. Das europäische Umweltrecht kann somit zu einer Senkung des nationalen Schutzstandards führen.
Neben der Umsetzung ist besonders der Vollzug des europäischen Umweltrechts problematisch. Da die Gemeinschaft selbst nicht über eigene Vollzugsorgane verfügt, erfüllen die Verwaltungen der Mitgliedstaaten diese Aufgabe. Hierbei gibt es in der Vollzugspraxis große Unterschiede, je nach nationalen Mentalitäten und Prioritätensetzung.12 Um so wichtiger ist eine rechtliche Besserstellung der Öffentlichkeit, um der EG-Umweltpolitik tatsächlich zur Durchsetzung zu verhelfen.13 Dies kann sowohl durch die verstärkte Einbeziehung in Genehmigungs- und Planungsverfahren als auch durch verbesserte Klagemöglichkeiten, insbesondere für Verbände, geschehen.

Fazit und Ausblick: Mehr Demokratie wagen statt mehr Volkswagen!

Angesichts der bevorstehenden Osterweiterung steht die EG besonders im Umweltbereich vor großen Herausforderungen. Die Chance den Zustand der Umwelt auch in den Beitrittsländern nachhaltig verbessern zu können und die Gefahr des levelling-down in ganz Europa sind zwei Seiten einer Medaille. Entscheidend wird sein, daß den schönen Worte von der "nachhaltigen Entwicklung", der "Vorsorge" und dem "hohen Schutzniveau" konkrete Taten folgen. Lediglich eine öffentlichkeitswirksame Präsentation politischer Veränderungen - wie sie auf europäischer Ebene gern zelebriert wird - genügt nicht. Handhabbare Instrumente zur Umsetzung der Umweltpolitik sind erforderlich. Dies gilt auch für die konsequente Einbeziehung des Umweltschutzes in alle anderen Politikbereiche, insbesondere in die Verkehrs- und Regionalpolitik.
Um das Vollzugsdefizit zu beheben, hat sich die Kommission bereits für mehr Mitsprache- und Entscheidungsmöglichkeiten für Einzelne und NGOs ausgesprochen.14 Die Wächterfunktion der Umweltverbände15 kann dabei durch einen Ausbau von Informationsrechten, Mitsprachemöglichkeiten bei Technikfolgeabschätzungen und das Verbandsklagerecht erweitert werden.
Der Zug der europäischen Umweltpolitik muß schneller in Richtung Transparenz und Partizipation rollen.

Norman Wojak promoviert zum Umweltrecht in Bochum.

Anmerkungen:

1 7. Erwägungsgrund des EUV.
2 Art. 2 EGV.
3 Auch zu anderen EU-Institutionen, siehe z.B. den Beschluß über den Zugang zu Dokumenten der Europäischen Umweltagentur (ABl. 1997, Nr. C 282, S. 5).
4 Art. 175 Abs. 2 EGV.
5 Oppermann 1999, 1339.
6 Wie z.B. die unendliche Geschichte einer EG-weiten CO2-Energiesteuer zeigt.
7 Albin/Muller-Kraenner, ZUR 1999, 73.
8 Frankfurter Rundschau, 30.06.1999.
9 Schröder über Schröder.
10 Siehe dazu zuletzt EuGH, NVwZ 1999, 1209 ff. und die jährlich erscheinenden Berichte der Kommission an das Europäische Parlament über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts.
11 Schrader, NVwZ 1999, 40.
12 Lindemann/Delfs, ZUR 1993, 256 (162).
13 Albin/Müller-Kraenner, ZUR 1999, 73 (77).
14 Albin/Müller-Kraenner, ZUR 1999, 73 (77).
15 BUND/MISEREOR, Zukunftsfähiges Deutschland, S. 378 f.; Sands 1995, 94 ff.

Literatur:

Albin, Silke/Müller-Kraenner, Sascha, Deutsche Umweltpolitik in Europa - Abschied von einer Vorreiterrolle, Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR) 1999, 73 ff.
BUND/MISEREOR (Hrsg.), Zukunftsfähiges Deutschland, 1997.
Lindemann/Delfs, Vollzug des Europäischen Umweltrechts, Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR) 1993, 256 ff.
Oppermann, Thomas, Europarecht, 1999.
Sands, Philippe, Principles of international environmental law, 1995.
Schrader, Christian, Europäische Anstöße für einen erweiterten Zugang zu (Umwelt-)Informationen, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 1999, 40 ff.