Heft 3 / 2000:
Billig und Gerecht?
Verfahren zwischen Rechtsstaatlichkeit und Effizienz
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Verfahren zwischen Rechtsstaatlichkeit und Effizienz
 

Verfahren vor Gerichten und Behörden sind in den letzten Jahren unter politischen Druck geraten. Sie seien zu langwierig und zu teuer, so die Klage der zuständigen Ministerien. Die Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung im Jahr 1997 leitete eine neue Reformrunde ein: Nach der Einführung von Regelungen zur Beschleunigung des Verfahrens vor den Verwaltungsgerichten stehen nun auch Rechtsmittel und andere Verfahrensrechte der Beteiligten im Zivil- und Strafverfahren auf dem Prüfstand.
Schlagwortartig vorgebrachtes Leitmotiv der Reformvorschläge ist dabei stets die "Effizienz". Der Weg vom Antrag zum Verwaltungsakt, von der (An)Klage bis zum rechtskräftigen Urteil soll verkürzt, um dadurch Personalstellen einsparen und Kosten reduzieren zu können.
Ob das aus den Wirtschaftswissenschaften entliehene Effizienzkriterium jedoch geeignet ist, die Qualität gerichtlicher Verfahren angemessen zu beurteilen, ist zweifelhaft.
Nicht nur aus Kostengründen werden Alternativen zu Gerichtsverfahren, in denen Konflikte durch richterliche Autorität entschieden werden, gesucht; Täter-Opfer-Ausgleich, Mediation und Kooperation in Planungsprozessen sind Beispiele für Verfahren, bei denen Konfliktschlichtung und -vermeidung durch die Beteiligten in den Vordergrund gerückt werden sollen.
Entscheidend für die Bewertung all dieser Entwicklungen ist die Frage nach dem Verhältnis eines Verfahrens zu seinem Ergebnis: In einer offenen Gesellschaft kann kein Konsens darüber, was im Einzelfall "richtig" oder "gerecht" ist, unterstellt werden, weder gesamtgesellschaftlich noch unter den Beteiligten eines Konflikts. In einem Verfahren, sei es vor Gericht, auf Verwaltungsebene oder im Parlament, wird daher nicht das eine, wahre, richtige (und erkenntnistheoretisch bereits vor Verfahrensbeginn bekannte) Ergebnis aus dem Hut gezaubert. Ein/e Richter/in ist kein Subsumtionsautomat, ein Parlament kein Protokollant des Volkswillens.
Verfahren sind daher kein schmückendes Beiwerk, keine Inszenierung mit vorgezeichnetem Ausgang. Ihre Ausgestaltung muß vielmehr hohen demokratischen und rechtsstaatlichen Anforderungen genügen. Nur so kann die Qualität der produzierten Ergebnisse gesichert werden.