Heft 4 / 2002:
Aus dem Westen was Neues
Interessenpolitik durch Rechtsexport
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Korrektur einer "versehentlichen" Fehlentscheidung
 

Nach Durchführung eines Einspruchsverfahrens hat das Europäische Patentamt (EPA) das umstrittene "Edinburgh"-Patent für die "Isolierung, Selektion und Vermehrung von tierischen Transgen-Stammzellen" wesentlich zurückgenommen. Das Patent betrifft ein Verfahren, bei dem tierische embryonale Stammzellen mittels eines gentechnischen Eingriffs von unerwünschten, differenzierten Zellen in einer Zellkultur getrennt und zu reinen Stammzellkulturen weiter gezüchtet werden. Das EPA hat der Universität Edinburgh dieses Patent erteilt, ohne dabei die im Patentantrag verwendeten Begriffe "animal, embryo, animal cell" einzuschränken, die ausdrücklich "alle tierischen Zellen, vor allem von Säugetierarten, einschließlich menschlichen Tieren" umfassen. Damit hat es die wirtschaftliche Nutzung von Keimbahnmanipulationen auch beim Menschen genehmigt (Nr. 48 des Patentantrags). Während die genetische Manipulation menschlicher Keimzellen durch eine freiwillige Einschränkung des Patents seitens der Patentinhaberin vom Patentumfang ausgeschlossen wurde, waren menschliche embryonale Stammzellen und ihre Veränderung weiterhin davon umfaßt.
Nach Auffassung der Einspruchsabteilung verstößt das Patent gegen mehrere Regelungen des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ), vor allem gegen diejenigen, wonach die Patentierbarkeit der Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken (Art. 23d) sowie die Patentierbarkeit jeglicher Erfindung ausgeschlossen ist, deren Verwendung mit den guten Sitten und der öffentlichen Ordnung unvereinbar ist (Art. 53a). Mit der Entscheidung soll dementsprechend das Patent nicht mehr für menschliche und tierische embryonale Stammzellen gelten, für deren Gewinnung wenige Tage alte Embryonen verbraucht werden, sondern nur für adulte menschliche und tierische Stammzellen, welche etwa aus Organen Erwachsener gewonnen werden.
Auch wenn das im EPÜ verankerte Einspruchsverfahren erst nach öffentlichem Protest durchgeführt wurde, hat es sich hier als wirksames Rechtsmittel zur Überprüfung des vom EPA "versehentlich" erteilten Patents erwiesen und einen entscheidenden Schritt gegen den uneingeschränkten Handel mit embryonalen Stammzellen erbracht. Es ist jedoch fraglich, ob sich die schottische Universität mit der Beschränkung des Patents abfinden oder in die zweite Instanz gehen wird. Welchen Einfluß darauf die am 7. Mai 2002 von der Ethik-Gruppe der EU-Kommission vorgelegte Stellungnahme n° 16 zu den "ethischen Aspekten der Patentierung von Entdeckungen im Zusammenhang mit humanen Stammzellen" haben wird, wonach auch embryonale Stammzellen für patentierbar gehalten werden, die in einem innovativen Verfahren modifiziert wurden, um neue Eigenschaften für eine industrielle Anwendung zu erlangen, ist jedenfalls noch offen.

Irini Kiriakaki, LL.M, Freiburg