Heft 4 / 2002:
Aus dem Westen was Neues
Interessenpolitik durch Rechtsexport
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Staatlicher Schulunterricht nur ohne muslimisches Kopftuch zulässig
 

In der vergangenen Zeit mussten sich sowohl das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) als auch das Verwaltungsgericht Stuttgart mit der Frage auseinandersetzen, ob islamische Lehrerinnen in der Schule auch mit Kopftuch unterrichten dürfen. Die Gerichte entschieden, dass die Bewerberinnen für eine Stelle als Lehrerin keinen Anspruch auf Einstellung haben, wenn sie nicht bereit wären im Unterricht auf ihr aus religiösen Gründen getragenes Kopftuch zu verzichten.
Zur Begründung führten sie aus, dass das Grundgesetz (GG) zwar unabhängig vom religiösen Bekenntnis den Zugang zu öffentlichen Ämtern gewähre. Das Tragen des Kopftuches ist als Ausübung der Religonsfreiheit durch Art.4 GG geschützt. An staatlichen Schulen, wo die Schüler unterschiedlichen Religionen angehören, kollidiere dies Grundrecht jedoch mit dem Recht von SchülerInnen, vom Staat nicht dem Einfluß einer fremden Religion, z.B durch religiöse Symbole, ausgesetzt zu werden, ohne sich dem entziehen zu können. Es verstoße gegen die religiöse Neutralitätspflicht, wenn eine Lehrerin mit einem muslimischen Kopftuch unterrichte. Dies gelte auch dann, wenn davon ausgegangen werde, dass die Lehrerin sich in Glaubensäußerungen zurückhalten würde. Denn die LehrerInnen üben eine Vorbildfunktion auf die SchülerInnen aus, so dass durch das Tragen eines Kopftuches den in ihrer Persönlichkeit noch nicht gefestigten SchülerInnen eine bestimmte Glaubensüberzeugung ständig und unübersehbar vor Augen geführt würde. Aufgrund der allgemeinen Schulpflicht hätten sie auch keine Ausweichmöglichkeit, sich diesem Einfluss zu entziehen. Dieser Konflikt zwischen dem Recht der Lehrerin auf ungestörte Religionsausübung und der sich aus Art.6 GG ergebenden Pflicht der Schulen zu religiöser Neutralität sei so zu lösen, dass der Neutralität der Schulen der Vorrang einzuräumen sei. Das Grundrecht der Bewerberin auf Religionsausübung müsse somit dahingehend eingeschränkt werden, dass sie während des Schulunterrichts auf das Tragen ihres Kopftuches verzichtet.
Die Entscheidung an sich ist zu begrüßen. Jedoch sollte die Diskussion hier nicht beim juristischen Aspekt enden. Denn das Tragen des Kopftuches ist auch in der gesellschaftlichen und feministischen Diskussion heiß umstritten. Nicht alle muslimischen Frauen wollen ein Kopftuch tragen, werden aber teilweise unter Berufung auf den Koran dazu gezwungen.

Astrid Kalkbrenner, Berlin