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Hartz-Reformen vor Gericht   Heft 1/2005
Genethik -
Welches Wissen verträgt der Mensch?

Seite 30
 
 

Das Gesamtpaket der sog. Hartz-Reformen hat inzwischen den Druck auf ArbeitnehmerInnen und Arbeitslose so stark erhöht, dass sich anscheinend schon Angebote wie www.jobdumping.de lohnen. Während sich hier Arbeitssuchende mit ihren Entgeltforderungen gegenseitig unterbieten können, beginnen die ersten Teile dieses Gesetzgebungspakets nun die Gerichte zu beschäftigen. Einer der ersten Stolpersteine ist ein Element des sog. Hartz I-Gesetzes. Seit dem Inkrafttreten am 1. Juli 2003 gilt für ArbeitnehmerInnen in verschärfter Weise die Pflicht, sich bei drohendem Arbeitsplatzverlust möglichst früh arbeitssuchend zu melden. Die Meldung muss nun "unverzüglich" nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes erfolgen. Wie im Zuge der Hartz-Reformen allgemein, so ist auch diese Pflicht mit einer drakonischen Sanktion im Falle der Nichtbeachtung verbunden: Je nach Höhe des Bemessungsentgelts werden den säumigen EmpfängerInnen von Arbeitslosengeld die Bezüge für jeden Tag der verspäteten Meldung (bis höchstens 30 Tage) um 7,35 oder 50 € gemindert.
Das Sozialgericht Frankfurt/Oder hat bereits in einem Urteil vom 1. April 2004 (Az. S 7 AL 42/04) erklärt, dass es die Sanktionsvorschrift für verfassungswidrig hält und die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Gericht äußerte erhebliche Zweifel daran, dass die Regelung geeignet sei, für eine schnellere Weitervermittlung von Arbeitssuchenden zu sorgen, da dies unzutreffender Weise voraussetze, dass es auf dem Arbeitsmarkt verfügbare Jobs gebe. Zudem sei die Sanktionsregelung überzogen, weil sie den Versicherten in der Arbeitslosenversicherung ohne ausreichende Rechtfertigung einen erheblichen Teil ihrer durch Beitragszahlung erworbenen Versicherungsleistung entziehe, die immerhin durch das Eigentumsgrundrecht des Artikels 14 Grundgesetz geschützt ist.
In einer weiteren Entscheidung zu der Regelung der Meldepflicht vom 24. September 2004 (Az. S 8 AL 81/04) musste das Sozialgericht Aachen die Arbeitsagenturen darüber aufklären, dass sie die Gesetze nicht einfach nach ihrem Gutdünken zurechtbiegen können: Für befristet Beschäftigte, bei denen das Beschäftigungsende von Anfang an feststeht, gilt nämlich ebenfalls die Pflicht zur frühzeitigen Meldung, das Gesetz bestimmt jedoch, dass die Meldung "frühestens" drei Monate vor Arbeitsende erfolgen soll. Dies wurde von den Behörden so verstanden, dass die Meldung "genau" drei Monate vor Beschäftigungsende erfolgen muss und anderenfalls die Sanktionierung durch Minderung der Bezüge erfolgt. Das Sozialgericht Aachen erklärte diese Praxis für rechtswidrig und konnte sich dabei auf die einleuchtende Begründung stützen, dass "frühestens" eben weder "genau" noch "spätestens" bedeutet.

Jan Gehrken, Hamburg