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       Laut Präsident Àlvaro Uribe Vélez gibt es in Kolumbien keinen bewaffneten Konflikt, sondern eine "terroristische Bedrohung". Diese will er bekämpfen, mit vielen helfenden Händen. Massive Menschenrechtsverletzungen sind dabei in dem viertgrößten südamerikanischen Land an der Tagesordnung. Kolumbien im Konflikt Kolumbien leidet seit Jahrzehnten unter einem sozialen und bewaffneten Konflikt. Fast zwei Drittel der Bevölkerung lebt in Armut. Minderheiten wie die im Chocó mit ihren ererbten Landrechten und die Bauern und Bäuerinnen in weiten Teilen des Landes sind den Repressalien wie Bedrohungen, Verhaftungen und Gewalttaten ungeschützt ausgesetzt. Kolumbien produziert nach offiziellen Angaben über drei Viertel des weltweit konsumierten Kokains. Ermordungen von Gewerkschaftsführern und Vertretern und Vertreterinnen von Bauernorganisationen sowie die Kriminalisierung jeder sozialen oder politischen Opposition sind alltäglich geworden. Familien werden vertrieben, Menschen verschwinden ohne Wiederkehr. Die kolumbianischen Menschenrechtsorganisationen sprechen von einer systematischen Anwendung von Folter. Durchschnittlich sterben pro Tag 20 unbeteiligte Zivilisten in den Kämpfen zwischen Regierungstruppen und verbündeten Paramilitärs gegen bewaffnete oppositionelle Gruppen.1 Nach wie vor begünstigt zudem die große Heterogenität der beteiligten Akteure den Umstand, dass die Konfliktlinien innerhalb des Landes kaum eindeutig aufzuzeigen sind. Uribe gegen die Terroristen Uribe, seit 7. August 2002 Präsident, führt derzeit seine Kampagne zur 
        Wiederwahl.2 Eine Verfassungsänderung machte dies möglich, muss die Überprüfung 
        vor dem Verfassungsgericht allerdings noch bestehen. Mit "harter Hand 
        und großem Herz" will er weiterhin vorgehen und entschlossen einen "Anti-Drogenkrieg" 
        führen, um die sich aus derartigen Geschäften angeblich finanzierenden 
        Guerillaeinheiten zu entmachten und die terroristische Bedrohung zu bekämpfen. 
        Der Begriff Terrorismus dient dabei nicht nur der Delegitimierung der 
        Gegenseite, er soll auch Hilfsorganisationen und nicht zuletzt das Völkerrecht 
        heraus halten. Unterstützung durch die USA Uribe hat immer schon die Präsenz ausländischer Truppen im Land gefordert. 
        Unlängst bezeugte er seine politische Richtung gen Norden mit seinem umtriebigen 
        Beitrittsengagement zur ALCA, der ‚Freihandelszone der Amerikas'. Das 
        Land im Norden Südamerikas ist für die USA derzeit der einzige Schlüssel 
        zum "aufbegehrenden" Kontinent, vor allem seit der Regierungszeit von 
        Hugo Chavez in Venezuela. Es gilt die westliche "freiheitlich-demokratische" 
        Welt zu verteidigen gegen die Drogenmafia und die Guerilla. Soziale Kämpfe 
        und Befreiungsbewegungen sollen vermieden oder beseitigt werden. Die USA 
        ziehen aus ihrem innenpolitischen Drogen- und Rechtsproblem einen außenpolitischen 
        Anspruch an Kolumbien zur Intervention im Antidrogenkampf, wofür u.a. 
        1999 der "Plan Colombia"8 entwickelt und großzügig seitens der USA finanziert 
        wurde. Laut einem vom US-Drogenkontrollbüro veröffentlichten Bericht wurde 
        jedoch im Jahre 2004 trotz intensiver Besprühungen keine Reduktion der 
        Anbauflächen erreicht. Für viele Kritiker bleibt der Plan Colombia daher 
        eher ein strategischer Militärplan. Private Military Companies in Kolumbien Der Krieg gegen die kolumbianische Bevölkerung wird zunehmend privatisiert. 
        Derzeit sind rund 30 private Militärunternehmen auf fast allen Ebenen 
        in Kolumbien aktiv.10 Die Hubschrauber für Truppeneinsätze und Eskorten 
        der Sprühflüge werden vom US-amerikanischen Sicherheitsdienstleister DynCorp 
        geflogen. DynCorp stellt neben den Piloten auch Mechaniker und medizinisches 
        Personal. Die meisten bei Besprühungen tätigen Söldner sind bewaffnet; 
        wenn sie sterben, sterben sie als Zivilisten. Mehrere Berichte belegen, 
        dass es durch die Besprühungen mit Gift aus Flugzeugen zu schwerwiegenden 
        Verstößen gegen die Menschenrechte kommt. Für die privaten Militärunternehmen 
        gibt es aber keine klaren Kontrollmechanismen. Sie werden staatlich nicht 
        beaufsichtigt, weder von den USA, noch von Kolumbien, sie werden manchmal 
        einfach ohne Papiere ins Land geschleust. Mitarbeiter von Private Military 
        Companies wie DynCorp unterstehen nicht der Militärgerichtsbarkeit, ihr 
        Handeln liegt in einer legalen Grauzone.  Straffreiheit für paramilitärische Einheiten Die Regierung wollte den Terror vor allem mit paramilitärischen Verbänden 
        bekämpfen. Vor allem diesen werden aber schwere Menschenrechtsverletzungen 
        an der Zivilbevölkerung vorgeworfen. Sie sind zum Teil gemeinsam mit dem 
        offiziellen Militär an gewaltsamen Vertreibungen, Morden, Folter, Massakern, 
        Entführungen, Erpressungen und dem Anwerben von Kindersoldaten beteiligt. 
        Die kolumbianische Juristenkommission macht ihren Dachverband AUC für 
        über 1.900 Morde seit der Ankündigung eines Waffenstillstandes im Dezember 
        2002 verantwortlich. Die ursprünglich zur Guerillabekämpfung eingesetzten 
        Einheiten kontrollieren heute um die 40 % des Kokainhandels und fast 100 
        % des Heroinhandels und terrorisieren die Bevölkerung.  Aufarbeitung mittels Völkerrecht Luis Moreno Ocampo, Staatsanwalt des Internationalen Strafgerichtshofes 
        (IStGH), verwies bereits auf die seit 2002 bestehende volle Kompetenz 
        des Gerichtshofs zur Aburteilung von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen 
        die Menschlichkeit und Völkermord. Es liegen bereits mehrere Anklagen 
        im Hinblick auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor, für die man die 
        paramilitärischen Verbände, die FARC, die ELN und offizielle Einheiten 
        der Streitkräfte Kolumbiens verantwortlich macht. Kolumbien hat allerdings 
        Art. 124 des Statuts von Rom in Anspruch genommen, wodurch Kriegsverbrechen 
        sieben Jahre von der Gerichtsbarkeit des IStGH ausgenommen bleiben.  Katharina Braig promoviert an der Humboldt Universität Berlin Anmerkungen: 1 Vgl. Amnesty International Jahresbericht 2004.  Literatur: Azzellini, Dario / Kanzleitner, Boris, Das Unternehmen Krieg, 
        2003. Internet: www.kolumbien-aktuell.ch  |