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Am 28. Juli 2005 hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln als erstes bundesdeutsches
Gericht im Grundsatz anerkannt, dass Opfer eines Kriegsverbrechens unter
deutscher Beteiligung Entschädigungsansprüche gegenüber Deutschland geltend
machen können.
Im Ergebnis hat das OLG Köln jedoch die Klage der überlebenden Opfer und
Angehörigen der Toten des Bombenangriffs der NATO auf das serbische Dorf
Varvarin zurückgewiesen (AZ. 7 U 8/04). Diese hatten Deutschland auf Schadensersatz
verklagt, nachdem am 30. Mai 1999 NATO-Kampfjets die kleine und militärisch
nutzlose Brücke des Ortes zerstört und dabei zehn Menschen getötet und
30 weitere zum Teil schwer verletzt hatten.
Das OLG Köln stellte in seinem Urteil zunächst klar, dass das deutsche
Staatshaftungsrecht auch für kriegsbedingte Schädigungen angewandt werden
kann. Allerdings hätten die KlägerInnen Deutschland keine völkerrechtswidrigen
Handlungen nachweisen können, die sich als Pflichtverletzungen im Sinne
der Amtshaftung nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und Artikel 34
Grundgesetz (GG) darstellten.
Deutschland, das maßgeblich den Entschluss zum Überfall auf Jugoslawien
forcierte und sich dann militärisch durch Staffeln der Luftwaffe sowie
durch Stabsoffiziere auf den verschiedenen Kommandoebenen der NATO engagierte,
soll für das Kriegsverbrechen an Varvarin nicht mitverantwortlich sein
und gesamtschuldnerisch haften müssen? Das Anwaltsteam der Klage legte
anhand öffentlich zugänglicher Quellen dar, dass die deutschen Tornados
im Zuge des integrierten Zusammenwirkens der NATO-Streitkräfte für jeden
Angriffsflug die Zielaufklärung betrieben und die jugoslawische Luftabwehr
bekämpften. Darüber hinaus wies es nach, dass es der Regierung jederzeit
möglich war, ein politisches Veto gegen einzelne Ziele einzulegen, wenn
sie mit deren Bombardierung einen Verstoß gegen das Kriegsvölkerrecht
oder nationale Gesetze zu befürchten hatte.
Über die internen Vorgänge sowie die Einzelheiten der durchgeführten Militäroperationen
des Bündnisses konnte indes nur die Bundesregierung selbst Auskunft geben.
Wohlweislich unterließ sie es mit Hinweis auf Geheimhaltungsabkommen.
Aber wie hätten die Opfer weitere Beweise über Tatsachen erbringen können,
die der strengen Geheimhaltung der Militärallianz unterlagen? Diese Frage
zur möglichen Umkehr der Beweislast ließ das Gericht unbeantwortet. Stattdessen
erklärte es, die Bundesregierung habe ohnehin "ihre Kenntnis von der Aufnahme
in die Ziellisten bzw. die Nichtausübung eines etwaigen Vetorechts unterstellt,
darauf vertrauen können, dass ein möglicher künftiger Angriff in Übereinstimmung
mit dem Völkerrecht erfolgen werde."
Stephen Rehmke, Hamburg
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