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Umsetzungsgesetz zum Europäischen Haftbefehl nichtig   Heft 4/2005
It's the equality, stupid!
Mit Recht gegen Diskriminierung

Seite 141
 
 

Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 18. Juli 2005 das deutsche Umsetzungsgesetz zum Europäischen Haftbefehl für nichtig erklärt. Geklagt hatte der deutsch-syrische Geschäftsmann Mamoun Darkazanli, der aufgrund eines von Spanien beantragten Haftbefehls seit Herbst 2004 in Hamburg inhaftiert war und nach Spanien ausgeliefert werden sollte. Vorgeworfen wurde ihm, als Ansprechpartner Bin Ladens in der Zeit vor dem 11. September 2001 eine Schlüsselfigur der Al Quaeda in Europa gewesen zu sein. Darkanzali konnte in der BRD für diesen Sachverhalt strafrechtlich nicht belangt werden - die Bundesanwaltschaft hatte bereits gegen ihn ermittelt und die Ermittlungen erfolglos eingestellt. Hingegen war und in Spanien die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung strafbar.
Während der Deutsche Anwaltverein die Entscheidung als Erfolg für die Grundrechte pries, sahen die Gewerkschaft der Polizei sowie Justizministerin Zypries darin einen Rückschlag im Kampf gegen den Terror.
Das Urteil stützt sich auf Art. 16 Abs. 2 S. 1 des Grundgesetzes, nach dem die Auslieferung deutscher Staatsbürger nur in Ausnahmefällen möglich sein soll. Die ursprüngliche Fassung des Art. 16 sah generell keine Auslieferung deutscher Staatsbürger vor - diese Fassung wurde jedoch 2000 durch die Option ergänzt, per Gesetz Auslieferungen an Staaten der EU oder einen internationalen Gerichtshof zuzulassen, soweit dabei rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt bleiben. Diese Grundsätze - insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - sah das BVerfG hier verletzt: Das Gesetz erlaubte die Auslieferung bei Taten mit Inlandsbezug, die jedoch im Inland gar nicht strafbar waren. Darkazanli drohte also die Überstellung an spanische Behörden, obwohl die vorgeworfene Tat ausschließlich in Deutschland begangen wurde und hier zu diesem Zeitpunkt keinen Straftatbestand erfüllte. Das Gericht betonte die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes - ein Deutscher, der sich im Inland an die deutsche Rechtsordnung hält, müsse nicht mit seiner Auslieferung rechnen.
Darüber hinaus kritisierten die Richter, dass Betroffenen gegenwärtig kein Rechtsmittel gegen die Bewilligung der Auslieferung eröffnet sei, und stellten einen Verstoß gegen Art. 19 IV GG (Rechtsweggarantie) fest.
Mit dieser Entscheidung ist das europäische Haftbefehlsgesetz nichtig; eine Auslieferung Deutscher damit gegenwärtig nicht möglich. Die Europäische Richtlinie bleibt hiervon jedoch unberührt. Der Bundestag ist also weiterhin verpflichtet, sie durch Gesetz umzusetzen. Die von der Richtlinie ausdrücklich eröffneten Einschränkungsmöglichkeiten müssen dabei wahrgenommen werden. Diesen Spielraum hatte der Bundestag bisher völlig verkannt.

Philipp Wittmann, Freiburg