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Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 18. Juli 2005 das deutsche Umsetzungsgesetz
zum Europäischen Haftbefehl für nichtig erklärt. Geklagt hatte der deutsch-syrische
Geschäftsmann Mamoun Darkazanli, der aufgrund eines von Spanien beantragten
Haftbefehls seit Herbst 2004 in Hamburg inhaftiert war und nach Spanien
ausgeliefert werden sollte. Vorgeworfen wurde ihm, als Ansprechpartner
Bin Ladens in der Zeit vor dem 11. September 2001 eine Schlüsselfigur
der Al Quaeda in Europa gewesen zu sein. Darkanzali konnte in der BRD
für diesen Sachverhalt strafrechtlich nicht belangt werden - die Bundesanwaltschaft
hatte bereits gegen ihn ermittelt und die Ermittlungen erfolglos eingestellt.
Hingegen war und in Spanien die Mitgliedschaft in einer ausländischen
terroristischen Vereinigung strafbar.
Während der Deutsche Anwaltverein die Entscheidung als Erfolg für die
Grundrechte pries, sahen die Gewerkschaft der Polizei sowie Justizministerin
Zypries darin einen Rückschlag im Kampf gegen den Terror.
Das Urteil stützt sich auf Art. 16 Abs. 2 S. 1 des Grundgesetzes, nach
dem die Auslieferung deutscher Staatsbürger nur in Ausnahmefällen möglich
sein soll. Die ursprüngliche Fassung des Art. 16 sah generell keine Auslieferung
deutscher Staatsbürger vor - diese Fassung wurde jedoch 2000 durch die
Option ergänzt, per Gesetz Auslieferungen an Staaten der EU oder einen
internationalen Gerichtshof zuzulassen, soweit dabei rechtsstaatliche
Grundsätze gewahrt bleiben. Diese Grundsätze - insbesondere den Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit - sah das BVerfG hier verletzt: Das Gesetz erlaubte
die Auslieferung bei Taten mit Inlandsbezug, die jedoch im Inland gar
nicht strafbar waren. Darkazanli drohte also die Überstellung an spanische
Behörden, obwohl die vorgeworfene Tat ausschließlich in Deutschland begangen
wurde und hier zu diesem Zeitpunkt keinen Straftatbestand erfüllte. Das
Gericht betonte die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes
- ein Deutscher, der sich im Inland an die deutsche Rechtsordnung hält,
müsse nicht mit seiner Auslieferung rechnen.
Darüber hinaus kritisierten die Richter, dass Betroffenen gegenwärtig
kein Rechtsmittel gegen die Bewilligung der Auslieferung eröffnet sei,
und stellten einen Verstoß gegen Art. 19 IV GG (Rechtsweggarantie) fest.
Mit dieser Entscheidung ist das europäische Haftbefehlsgesetz nichtig;
eine Auslieferung Deutscher damit gegenwärtig nicht möglich. Die Europäische
Richtlinie bleibt hiervon jedoch unberührt. Der Bundestag ist also weiterhin
verpflichtet, sie durch Gesetz umzusetzen. Die von der Richtlinie ausdrücklich
eröffneten Einschränkungsmöglichkeiten müssen dabei wahrgenommen werden.
Diesen Spielraum hatte der Bundestag bisher völlig verkannt.
Philipp Wittmann, Freiburg
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