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Seit fast 60 Jahren sind in Artikel 3 Grundgesetz (GG) die Gleichheit
von Frauen und Männern sowie ein Verbot der Benachteiligung oder Bevorzugung
aufgrund des Geschlechts, der "Rasse", der Sprache, der Heimat und Herkunft,
des Glaubens sowie der religiösen und politischen Anschauungen festgeschrieben.
Dieses Grundrecht hat vor allem zum Abbau unmittelbarer Diskriminierungen
beigetragen. Insbesondere Frauen benachteiligende Vorschriften wurden
nach und nach abgeschafft. Bis heute gibt es jedoch zahlreiche Rechtsregeln,
wie beispielsweise die Hartz-Gesetze, die Frauen faktisch diskriminieren
und so dem eindeutigen Verfassungsauftrag entgegenlaufen.
Schlecht fällt die Bilanz von Artikel 3 GG aus, sobald die anderen dort
aufgezählten Diskriminierungsmerkmale in den Blick genommen werden. Soziale
Herkunft entscheidet über Bildungschancen, für AusländerInnen gelten Sondergesetze
und homosexuelle Paare werden auf ein zweitklassiges Partnerschaftsrecht
verwiesen.
Dennoch liegt der Schwerpunkt von Diskriminierungen heute im privaten
Bereich. Sexistische und rassistische Witze am Arbeitsplatz, Wohnungen,
die nicht an Homosexuelle, AusländerInnen oder Behinderte vermietet werden,
Anweisungen, keine türkischen Frauen einzustellen, Klagen gegen "Lärm"
von Menschen mit Behinderungen, Entlassungen von Menschen, die zum "alten
Eisen" gehören, Zutrittsverweigerungen zu Diskotheken für Menschen mit
dunkler Hautfarbe oder erhebliche Einkommensunterschiede zwischen Männern
und Frauen sind nur wenige Beispiele hierfür.
Insbesondere zur Beseitigung von Diskriminierungen im privaten Bereich
hat die EU vier Antidiskriminierungsrichtlinien erlassen. Die Umsetzung
dieser Richtlinien wird in Deutschland jedoch von vielen Seiten bekämpft,
die Schaffung eines Antidiskriminierungsgesetzes bisher verhindert. Das
ist nicht nur mit Blick auf die Geschichte Deutschlands äußerst peinlich.
Der polemisch geführte Streit fördert zudem eine erhebliche Ignoranz gegenüber
den zwingenden Vorgaben der Richtlinien sowie einschlägiger Verfassungsrechtsprechung
zutage und ist mit einer zum Teil wohl bewussten Leugnung der Situation
von Diskriminierungsopfern verbunden.
Auch nach einer Umsetzung der Richtlinien in ferner Zukunft werden allerdings
keineswegs alle Fragen der Antidiskriminierungspolitik gelöst sein. Zum
einen fehlt bislang ein konsistenter Umgang mit den Diskriminierungsmerkmalen,
was ganz besonders an der schwierigen theoretischen Erfassung des Rassismus
deutlich wird. Zum anderen erfordert die verstärkte Bekämpfung struktureller
Diskriminierung, dass Diskriminierung als Massenphänomen erkannt und nicht
länger als individuelles Problem behandelt wird.
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