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Mit der Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat am 8.
Juli 2005 ist auch der zweite1 Versuch gescheitert, die europarechtlichen
Vorgaben im Bereich Antidiskriminierung in Deutschland umzusetzen. In
der dabei geführten öffentlichen Debatte wurde der Eindruck vermittelt,
dass der Regierungsentwurf, wie er vom Bundestag verabschiedet wurde,
über die Umsetzung der Richtlinien hinausgeht, während die Opposition
eine Eins-zu-eins-Umsetzung der Richtlinien fordert. Eine genauere Betrachtung
hält dieser Sichtweise nicht stand. Ideologische Grabenkämpfe und polittaktische
Überlegungen wurden auf den Rücken der Betroffenen ausgetragen. Trotzdem
ist die rechtliche Lage für die Opfer von Diskriminierung nicht ganz so
trostlos, wie das Scheitern des Antidiskriminierungsgesetzes (ADG) vermittelt.
Tägliche Diskriminierungspraxis
Das Scheitern des Gesetzes und die polemische Diskussion2, die es begleitete,
zeigen allerdings, dass Deutschland antidiskriminierungspolitisch immer
noch ein Entwicklungsland ist. Dies wird auch durch Zahlen bestätigt.
Die Eurobarometer-Studie der EU vom Mai 2003 hat bei einer Befragung festgestellt,
dass nur ca. 2/3 aller BundesbürgerInnen eine Diskriminierung aufgrund
der ethnischen Herkunft, der Religion, der sexuellen Identität, des Alters,
des Geschlechtes oder einer Behinderung ablehnen. Deutschland liegt damit
weit unter dem europäischen Durchschnitt und mit Abstand an letzter Stelle
im europäischen Ranking.
Bezeichnenderweise gibt es bisher keine Studie, welche das Ausmaß der
Diskriminierung flächendeckend erfasst. Nur im Bereich der Arbeitswelt
liegen einige Untersuchungen vor.3 Mit Ausnahme einer Untersuchung aus
dem Jahr 2000 zum Einlassverhalten in Brandenburger Diskotheken fehlen
diese weitgehend im allgemeinen zivilrechtlichen Bereich. Letztere kommt
zu dem Ergebnis, dass 1/3 der besuchten Diskotheken eine eindeutig diskriminierende
Einlasspraxis betreibt. Drei junge Männer nichtdeutscher Herkunft hatten
als "Testbesucher" im Jahr 2000 insgesamt 15 Diskotheken in Brandenburg
besucht. Während sie in sechs Diskotheken - meist unter dem Hinweis, die
Diskothek sei voll - abgewiesen wurden, erhielten alle anderen weißen
Gäste ungehinderten Zugang.4
Weitere Aussagen im zivilrechtlichen Bereich beschränken sich auf Zeitungsartikel.
So liegen zahlreiche Berichte darüber vor, dass MaklerInnen und VermieterInnen
tatsächlichen oder vermeintlichen AusländerInnen den Abschluss eines Mietvertrages
verweigern.5 Nachdem deutsche Versicherungsunternehmen mit dem Versuch
gescheitert waren, erhebliche Beitragszuschläge in der Kfz-Haftpflichtversicherung
für türkische, damalige jugoslawische und griechische Staatsangehörige
einzuführen, versuchten einige Unternehmen daraufhin, VersicherungsvertreterInnen
von der Werbung ausländischer KundInnen abzuhalten, indem sie in diesen
Fällen keine oder nur eine geringere Provision zahlten.6 Ein neueres Phänomen
scheint die Abweisung interessierter KundInnen durch Fitness-Studios zu
sein: "Kopftuchträgerinnen",7 AusländerInnen, aber auch türkischstämmige
Deutsche werden nach Medienberichten bei Überschreitung geschäftsinterner
"Ausländerquoten" nicht mehr als Mitglied aufgenommen.8 Mit ihrem Verhalten
konfrontiert, verteidigen sich die Gewerbetreibenden damit, dass die Angehörigen
der zurückgewiesenen Gruppe eine schlechte Zahlungsmoral besäßen, zu Vandalismus
neigten und/oder andere KundInnen belästigen würden. Nicht selten wird
zudem auf Forderungen oder gar Boykottdrohungen anderer KundInnen verwiesen.
Im Bereich der Behindertendiskriminierung kommt es immer wieder zu Skandalurteilen.9
Was möglich wäre
Eine spürbare Verbesserung des Rechtsschutzes von Diskriminierungsopfern
sollen verschiedene Antidiskriminierungsrichtlinien (RL) der EU bringen.
In unterschiedlichem Umfang fordern die Richtlinien die Mitgliedstaaten
auf, wirksame rechtliche Schutzmechanismen bei Diskriminierungen aufgrund
der dort genannten Diskriminierungsmerkmale zu schaffen.10 Die Mitgliedsstaaten,
also auch Deutschland, sind europarechtlich verpflichtet, die Richtlinien
innerhalb bestimmter Fristen in nationales Recht umzusetzen. Für die Antirassismus-
und die Rahmenrichtlinie ist die Umsetzungsfrist bereits abgelaufen.
Bei den Diskriminierungsmerkmalen Geschlecht und ethnische Herkunft geht
der Schutz sehr weit, da er sich auch auf viele zivilrechtliche Verträge
erstreckt und nicht nur Arbeitsverträge im weitesten Sinne erfasst.11
Leider wurde dieser umfassendere Schutz nicht auch auf die anderen Merkmale
ausgedehnt. Ebenso zu bedauern ist, dass bereits in den Richtlinien die
strukturelle Diskriminierung von Flüchtlingen umfassend aus dem Regelungsbereich
herausgenommen wurde, so dass ein diskriminierungsfreies Flüchtlingsrecht
nicht verlangt wird. Dies kann im Zuge der flüchtlingsfeindlichen Politik,
die sich mehr und mehr auch auf europäischer Ebene durchsetzt, kaum überraschen.
Auch die Verpflichtung zur Beweiserleichterung lässt zu wünschen übrig.
Zwar stellt diese einen Schritt in die richtige Richtung dar, besser wäre
es gewesen eine eingeschränkte Beweislastumkehr einzuführen, da selbst
die Beibringung von Tatsachen für die Betroffenen mit erheblichen Schwierigkeiten
verbunden sein kann.12 Auch ist mit der Schaffung von Individualklagemöglichkeiten
im Bereich Antidiskriminierung noch nicht der Weisheit letzter Schluss
getroffen.13 Trotzdem hätte eine Umsetzung der Richtlinien in Form des
ADG einen großen Forschritt bedeutet.
Politische Scheingefechte
Um so tragischer ist es, dass dieser Entwurf durch die Verzögerungstaktik
der CDU/CSU und der FDP im Zuge der Neuwahlen scheiterte, obwohl selbst
die sachliche Kritik, die eine Verweigerung der Zustimmung hätte rechtfertigen
können, häufig die europarechtlichen Vorgaben ignorierte. Im Mittelpunkt
stand dabei, dass das ADG schwerwiegend in die grundrechtlich geschützte
Vertrags- und Handlungsfreiheit eingreifen und damit den Rechtsverkehr
unter Geschäfts- wie unter Privatleuten erheblich erschweren würde. Aus
der Perspektive der Richtlinien stellt sich dieses Problem allerdings
nicht. Diese sehen eine Einschränkung einfach vor. Zwar geht der Gesetzentwurf
über die Richtlinien hinaus, indem er den zivilrechtlichen Diskriminierungsschutz
auf die Merkmale Religion, Weltanschauung, Alter und Behinderung ausweitet.14
Verfassungsrechtlich stellt aber weder das eine noch das andere ein Problem
dar.15
Außerdem wird unterstellt, dass die im Gesetzentwurf verankerte Beweisumkehr
geradezu einlädt, Diskriminierungen dort geltend zu machen, wo eigentlich
keine stattfinden. Dabei wird verkannt, dass es sich lediglich um eine
Beweiserleichterung handelt, die so von den Richtlinien vorgegeben wird.
Ebenso verhält es sich mit der Kritik an der Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle.16
Allerdings beschränken sich die Richtlinien bei Verpflichtung zur Schaffung
einer Antidiskriminierungsstelle auf die Merkmale Geschlecht und ethnische
Herkunft. Der gescheiterte Gesetzentwurf ging diesbezüglich über die Vorgaben
der Richtlinien hinaus, indem er eine Stelle für alle in den Richtlinien
genannten Merkmale schaffen wollte.17
Auch bei der Argumentation gegen eine Ausweitung der Befugnisse von Betriebsräten
bzw. Gewerkschaften, um Diskriminierungen im Betrieb besser bekämpfen
zu können18, und der Einführung des Rechts der Antidiskriminierungsverbände,
die Rechte der ArbeitnehmerInnen im Fall von Diskriminierung wahrzunehmen19,
wird verkannt, dass die Richtlinien keinen Spielraum lassen. Ebenso ins
Leere geht die Kritik, dass eine generelle Entschädigungspflicht unabhängig
vom konkreten Schadenseintritt nicht in das deutsche Haftungssystem passe.20
Die Richtlinien lassen hier dem Gesetzgeber zwar einen weiten Spielraum,
sehen aber ausdrücklich den Schadensersatz vor.
Ein Gesetzentwurf mit Defiziten
Bei aller Kritik, dass der Gesetzentwurf zu weit gehen würde, gerät aus
dem Blick, dass der Entwurf an drei Stellen hinter die Vorgaben der Richtlinien
zurückfällt. Dies betrifft den Viktimisierungsschutz, der nur auf das
Arbeitsrecht beschränkt ist.21 Europarechtlich ist eine Regelung aber
auch im Hinblick auf das allgemeine Vertragsrecht bei Diskriminierungen
aufgrund von ethnischer Herkunft und Geschlecht vorgesehen.
Außerdem nimmt der Entwurf im allgemeinen Vertragsrecht Näheverhältnisse
grundsätzlich von der Anwendung des Diskriminierungsverbots aus.22 Schließlich
rechtfertigt der Entwurf eine unterschiedliche Behandlung bei der Vermietung
von Wohnraum im Hinblick auf die "Schaffung und Erhaltung sozial stabiler
Bewohnerstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener
wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse".23
Die beiden Einschränkungen sind neben der politischen Implikation, dass
Diskriminierung manchmal erlaubt ist, so auch juristisch nicht haltbar.
Dies betrifft allerdings ausschließlich das Diskriminierungsmerkmal ethnische
Herkunft. In der Antirassismusrichtlinie finden sich keinerlei Anknüpfungspunkte
für eine solche Einschränkung. Zwar hält die Richtlinie im vierten Erwägungsgrund
fest: "Ferner ist es wichtig, dass im Zusammenhang mit dem Zugang zu und
der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen der Schutz der Privatsphäre
und des Familienlebens sowie der in diesem Kontext getätigten Geschäfte
gewahrt bleibt". Dieser der eigentlichen Richtlinie vorangestellte Erwägungsgrund
bildet jedoch keine Grundlage für eine Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen
aufgrund von "Rasse" und ethnischer Herkunft. Die Erwägungsgründe dürfen
nur zur Auslegung der Richtlinie herangezogen werden, aber nicht deren
Wortlaut ins Gegenteil verkehren. Nach der Richtlinie sind Ungleichbehandlungen
jedoch nur zulässig, wenn sie wesentliche und entscheidende berufliche
Anforderungen (Art. 4 RL) oder positive Maßnahmen (Art. 5 RL)betreffen.24
Außerdem ist es auch systemwidrig, wenn InhaberInnen von Kleinbetrieben,
in denen zweifellos ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis besteht
bzw. entsteht, arbeitsrechtlich eine Diskriminierung wegen der Hautfarbe
untersagt wird, während die VermieterInnen einer Wohnanlage mit einhundert
Wohnungen wegen der Hautfarbe benachteiligen dürfen, weil sonst die "soziale
Bewohnerstruktur instabil" würde. Hier ergibt sich auch ein Wertungswiderspruch
mit dem Strafrecht: Die ausdrückliche Weigerung, jemandem wegen dessen
Hautfarbe eine Wohnung zu vermieten, dürfte eine Beleidigung gemäß § 185
Strafgesetzbuch (StGB) darstellen, wäre aber nach dem Gesetzesentwurf
zivilrechtlich unbedenklich. Hieraus könnte sogar gefolgert werden, dass
auch eine Haftung nach § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung
mit § 185 StGB entfallen müsste.25
Fast schutzlos ausgeliefert
Trotz des defizitären Entwurfs wäre dessen Umsetzung noch ein Fortschritt
gewesen. Denn der bisherige Schutz ist bis auf einige Ausnahmen so gut
wie nicht existent. Neben dem Schadensersatzanspruch wegen geschlechtsspezifischer
Diskriminierung im Arbeitsrecht gemäß § 611a BGB ist nur im Versicherungsrecht
die Kalkulation von Versicherungsprämien, die auf der Nationalität oder
der ethnischen Herkunft basiert, verboten.
Außerdem können sich die Betroffenen in Fällen von Diskriminierung durch
einen Gewerbetreibenden an die entsprechenden Aufsichtsbehörden wenden.26
Denn das Gewerberecht, insbesondere das Gaststättengesetz, sieht im Wiederholungsfall
die Möglichkeit vor, dem Gewerbetreibenden wegen fehlender Zuverlässigkeit
das Betreiben des Gewerbes zu untersagen. Dies wäre denkbar, wenn die
Diskriminierung beleidigenden Charakter besitzt. Allerdings wird von der
Untersagung von Behördenseite nur sehr selten Gebrauch gemacht.
Ebenso kann die für die gewerbliche Personenbeförderung erforderliche
Erlaubnis bei mangelnder Zuverlässigkeit entzogen werden, was u.a. bei
einem Verstoß gegen § 25
Personenbeförderungsgesetz möglich ist. Dieser schreibt BeförderungsunternehmerInnen
die Beförderung jeder Person vor, sofern die Beförderung möglich und die/der
KundIn zur Einhaltung der Beförderungsbedingungen bereit ist. Dies bietet
die Möglichkeit, TaxifahrerInnen, die die Beförderung von Personen aufgrund
ihrer Hautfarbe oder ethnischen Herkunft ablehnen, die Erlaubnis zu entziehen.
§ 2 der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung, welche die Mindestanforderungen
für den Kundenschutz für private Telekommunikationsgesellschaften festlegt,
besagt, dass marktbeherrschende AnbieterInnen von Telekommunikationsdienstleistungen
für die Öffentlichkeit ihre Leistungen allen zu gleichen Bedingungen zur
Verfügung zu stellen haben, es sei denn, dass unterschiedliche Bedingungen
sachlich gerechtfertigt sind. Somit verstoßen marktbeherrschende AnbieterInnen
von Telekommunikationsdienstleistungen gegen § 2, wenn Kunden aus Gründen
der ethnischen Herkunft diskriminiert werden.27
Verbesserungen auch ohne Gesetz?
Trotzdem haben sich die Möglichkeiten für die Betroffenen von Diskriminierung
auch ohne das ADG allein aufgrund der Existenz der Richtlinien verbessert.
Handelt es sich bei denjenigen, die diskriminieren, um den Staat oder
eine öffentliche Einrichtung, können die Bestimmungen der Richtlinien,
die klar, eindeutig und unbedingt sind, direkt vor nationalen Gerichten
geltend gemacht werden. Diese Bestimmungen haben definitionsgemäß "unmittelbare
vertikale Wirkung". Dies bedeutet, dass sich, wenn ein Mitgliedstaat die
Richtlinien nicht rechtzeitig oder nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat,
Einzelpersonen, die geltend machen, von einer staatlichen Stelle diskriminiert
worden zu sein, trotzdem auf die Richtlinienbestimmungen berufen können.
Handelt es sich bei denjenigen, die diskriminieren, um Einzelpersonen
oder private Körperschaften, müssen die nationalen Gerichte von der "mittelbaren
Wirkung" der Richtlinien ausgehen und alles tun, um das nationale Recht
in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht auszulegen. Dies bedeutet,
dass sie das nationale Recht so weit wie möglich nach dem Wortlaut und
dem Zweck der Richtlinie auslegen müssen, damit das von der Richtlinie
beabsichtigte Ergebnis erreicht wird. Dabei ist unerheblich, ob das nationale
Recht vor oder nach der Richtlinie erlassen wurde.28
Ein erster Versuch, eine gemeinschaftskonforme Auslegung von zivilrechtlichen
Normen im Bereich der Antidiskriminierung zu erreichen, wurde im Falle
einer Verweigerung des Zutritts zu einer Partyveranstaltung unternommen.
Der Betroffene versuchte, eine Entschädigung zu erhalten. Allerdings meinte
das Gericht, eine richtlinienkonforme Auslegung sprenge den Rahmen des
nationalen Rechts, weil diese die Privatautonomie aufhebe, was der deutschen
Rechtsordnung fremd sei.29 Die ideologischen Polemiken haben hier ihre
Wirkung gezeigt. Unter völliger Missachtung des Prinzips, dass Freiheit
und Gleichheit zu einem Ausgleich gebracht werden müssen, und der Ignorierung
der Tatsache, dass z.B. § 611a BGB im Bereich von Arbeitsverträgen die
Einschränkung der Privatautonomie vorsieht, meint das Gericht, die Rechtsordnung
zu verteidigen. Erfolgsversprechender scheint die richtlinienkonforme
Auslegung im Bereich des Arbeitsrechts, wo sich ein behinderter Mensch
gegen die Einstellungsverweigerung seitens einer Behörde wehrte.30
Als weitere Möglichkeit, sich zumindest gegen die Folgen der Diskriminierung
zu wehren, kann der Betroffene auch Schadensersatzansprüche gegen die
Bundesrepublik Deutschland gelten machen. Denn nach Ablauf der Umsetzungsfrist
einer Richtlinie gilt, dass der Mitgliedstaat den Schaden, der durch die
Nichtumsetzung der Richtlinie entsteht, ausgleichen muss. Für die Haftung
des Staates müssen eine Reihe von Bedingungen erfüllt sein: 1. Das Ziel
der Gemeinschaftsbestimmung, gegen die verstoßen wurde, muss darin bestehen,
dem/ der Einzelnen Rechte zu gewähren. 2. Der Verstoß muss schwerwiegend
genug sein. 3. Es muss ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Versäumnis
des Staates und dem Schaden bestehen, der den Betroffenen entstanden ist.
Auch hier gibt es erste Verfahren. Ein Kameruner machte einen Schadensersatzanspruch
wegen der Verweigerung des Zugangs zu einer Gaststätte geltend. Auch hier
scheiterte der Versuch. Das Gericht begründete den Beschluss damit, dass
die Richtlinie als Sanktion nicht zwingend einen Schadensersatz vorsehe.
Dies sei lediglich eine Möglichkeit, über die aber der Gesetzgeber zu
entscheiden habe. Daher fehle es für den Schadensersatz an der erforderlichen
Kausalität.31
Ohne Gesetz geht's nicht
Die genannten Beispiele für einen Antidiskriminierungsschutz auch ohne
ADG zeigen, dass dieser bei weitem nicht ausreicht. Entweder die Betroffenen
klagen sich durch mehrere Instanzen, weil die unteren Gerichte nicht bereit
sind, antidiskriminierungsfreundliche Entscheidungen zu treffen, oder
das Opfer ist vom guten Willen der Behörden abhängig, gegen DiskriminiererInnen
tatsächlich konsequent vorzugehen. Ein ADG tut also dringend Not. Allerdings
ist zu befürchten, dass der neue Anlauf noch weiter hinter die Richtlinie
zurückfällt als der letzte. Dann bleibt wieder nur der Gang zum EuGH,
um dem Entwicklungsland Deutschland auf die Sprünge zu helfen.
Marcus Lippe lebt in Berlin und arbeitet im Bereich Flüchtlinge
und Antidiskriminierung.
Anmerkungen:
1 Vgl. zum ersten Versuch Armbrüster, Christian, Zeitschrift für Rechtspolitik
2005, 41, Fn. 6 und 7.
2 Vgl. Obermeyer, in diesem Heft, 117 ff.
3 Vgl. z. B. Knoll, Christopher/ Bittner, Monika u.a., Lesben und Schwule
in der Arbeitswelt. Ergebnisse zur Diskriminierung von Lesben und Schwulen
in der Arbeitssituation, München 1996; Golderg, Andreas & Mourinho, Dora:
"The occurrence of discrimination in Germany", in: Zegers de Beijl, Roger:
Documenting discrimination against migrant workers in the labour market
- A comparative study of four European countries, ILO, Geneva 2000, 53-63;
Eurostat, Das Leben von Frauen und Männern in Europa. Ein statistisches
Porträt. Themenkreis 3 - Bevölkerung und soziale Bedingungen, Luxemburg
2002.
4 Bericht der Ausländerbeauftragten im Land Brandenburg Almuth Berger,
in: Klein, Eckart (Hrsg.), Rassische Diskriminierung - Erscheinungsformen
und Bekämpfungsmöglichkeiten, 2002, 41, 43.
5 Vgl. Nickel, 81 ff. m.w.N.; s. a. das Beispiel einer türkischen Familie
in: Berliner Mietermagazine 3/2005, 9.
6 Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rainer Funke im BMJ auf
die Frage der FDP-Abgeordneten Dr. Gisela Babel v. 07.04.1995, Bundestags-Drucksache
(BT-Drs.) 13/1127, 25f.
7 Vgl. taz v. 18.02.2000.
8 Manuskript der Sendung "Kontraste" v. 10.06.2004, www.rbb-online.de/_/kontraste/beitrag_jsp/key=rbb_beitrag_1143477.html.
9 Vgl. z. B. so genanntes "Behindertenlärmurteil", OLG Köln, Neue Juristische
Wochenschrift (NJW) 1998, 764.
10 S. Kästen Überblick über
die Richtlinien und Wovor wird
geschützt?.
11 S. Kästen Überblick über
die Richtlinien und Wovor wird
geschützt?.
12 S. Kasten Wovor wird geschützt?.
13 Vgl. Dern, in diesem Heft, 120 ff.
14 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien
(ADG-E), BT-Drs. 15/4538 v. 18.03.2005, § 19 Abs. 1.
15 Vgl. Obermeyer, in diesem Heft, 117 ff.
16 Vgl. Pressemitteilung der CDU/CSU Fraktion im Deutschen Bundestag anlässlich
der 1. Lesung des ADG am 21.01.2005.
17 Vgl. ADG-E, BT-Drs. 15/4538, § 27 Abs. 2.
18 Vgl. Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Presse-Information
Nr. 79/2004 v. 15.12.2004.
19 Vgl. Steinau-Steinbrücke, Robert von/ Schneider, Volker/ Wagner, Tobias,
Der Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes: Ein Beitrag zur Kultur
der Antidiskriminierung?, Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht 2005,
28, 31.
20 Vgl. Stellungnahme der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien
- Artikel 1, Gesetz zum Schutz vor Diskriminierung, Berlin, 25.02.2005,
3.
21 Vgl. ADG-E, BT-Drs. 15/4538, § 16.
22 Vgl. ADG-E, BT-Drs. 15/4538, § 19 Abs. 5.
23 Vgl. ADG-E, BT-Drs. 15/4538, § 19 Abs. 3.
24 Vgl. Mahlmann, Matthias, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur
Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien vor dem Ausschuss
des Deutschen Bundestages für Familie, Senioren, Frauen und Jugend v.
07.03.2005 (Stellungnahme), 5 f.
25 Vgl. Nickel, Rainer, Stellungnahme, 7.
26 Vgl. Klose, Alexander, "Gewerberecht und Rassendiskriminierung", Gutachten
im Auftrag des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg e.V., Berlin 2005
(im Erscheinen).
27 Mahlmann, Matthias, Gesetzgebung über Antidiskriminierung in den Mitgliedstaaten
der EU - Ein Vergleich einzelstaatlicher Rechtsvorschriften gegen Diskriminierungen
aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft, der Religion oder
der Weltanschauung mit den Richtlinien des Rates: Deutschland, Wien 2002,
25 f.
28 Vgl. Thüsing, Gregor, Richtlinienkonforme Auslegung und unmittelbare
Geltung von EG-Richtlinien im Anti-Diskriminierungsrecht, NJW 2003,
3441-3445.
29 Vgl. Informationsbrief Ausländerrecht 2005, 162-116.
30 Urteil ArbG Berlin v. 13.07.2005, Az. 86 Ca 24618/04.
31 Beschluss des LG Berlin v. 12.04.2005, Az. 23 O 43/05.
Literatur:
Europäische Zeitschrift zum Antidiskriminierungsrecht 01/2005, download:
europa.eu.int/comm/employment_social/fundamental_rights/index_de.htm.
Nickel, Rainer, Gleichheit und Differenz in der vielfältigen Republik,
Baden-Baden 1999.
Stellungnahmen der ExpertInnenanhörung zum ADG vom 07.03.2005,
download: www.bundestag.de/parlament/gremien15/a12/oeffentliche_sitzungen/20050307/.
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