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Der Widerruf einer Anerkennung als Asylberechtigte/r ist nach Auffassung
des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) grundsätzlich möglich und mit der
derzeitigen Rechtslage vereinbar. Das hat das BVerwG mit Urteil vom 1.
November 2005 (AZ: 1 c 21.04) entschieden. Gegenstand der Entscheidung
war die Revision eines 1991 als asylberechtigt anerkannten Afghanen, der
1996 zu einer siebenjährigen Haftstrafe wegen Drogenhandels verurteilt
worden war. Mit der Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung widerrief
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Asylanerkennung. Begründet
wurde dies mit dem zwischenzeitlich erfolgten Regimewechsel in Afghanistan,
so dass sich der Widerruf aus den damit nicht mehr vorhandenen Anerkennungsvoraussetzungen
des § 73 Abs. 1 S. 1 Asylverfahrensgesetz ergebe. Eine zur Verfolgung
fähige staatliche oder staatsähnliche Gewalt sei in Afghanistan nicht
mehr vorhanden.
Mit seiner Entscheidung hat das BVerwG die seit Jahren stetig ansteigende
von Menschenrechtsorganisationen zu Recht kritisierte Praxis des Asylwiderrufs
durch Ausländerbehörden rechtlich legitimiert. Nach der sog. "Wegfall-der-Umstände-Klausel"
des Art. 1c Nr.5 Genfer Flüchtlingskommission könne die betroffene Person
es dann nicht ablehnen, den Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit
sie besitzt, in Anspruch zu nehmen, "wenn sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung
maßgeblichen Verhältnisse erheblich und nicht nur vorübergehend so verändert
haben, dass eine für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen mit
hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist und nicht aus anderen Gründen
erneut Verfolgung droht".
Damit knüpft das BVerwG zwar punktuell an die vom UNHCR aufgestellten
Richtlinien an und weist zudem auf die seit dem 1. Januar 2005 verbindlich
geltende Prüfungspflicht nichtstaatlicher Verfolgung (vgl. § 60 Abs. 1
S. 4 Aufenthaltsgesetz) hin, berücksichtigt aber weitere entscheidende
(ebenfalls vom UNHCR aufgestellte) Kriterien, wie die Menschenrechtslage
und eine funktionierende Regierungs-, Verwaltungs- und Infrastruktur ausdrücklich
nicht als Voraussetzung für einen wirksamen Widerruf. Hierin würden sich
vielmehr allgemeine Gefahren verwirklichen, die einem Widerruf nicht entgegen
stünden. Sollte jedoch eine Rückkehr tatsächlich unzumutbar sein, könne
der betroffenen Person "Schutz" durch das deutsche Aufenthaltsgesetz gewährt
werden. Hierbei handelt es sich aber in der Mehrzahl der Fälle um Ermessenentscheidungen
der zuständigen Behörden (§ 60a Aufenthaltsgesetz). Die wiederum haben
allerdings als Teil der rassistischen Abschiebepraxis eine ganz eigene
Auslegung der "Schutzvorschriften": Im Jahr 2004 standen einer Anzahl
von 17.000 Widerrufen gerade mal 2076 Anerkennungen gegenüber.
Petra Dervishaj/Cornelia Böther, Hamburg
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