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Ein Jahr nach dem Start von Hartz IV machen zwei Problemfelder den Betroffenen
das Leben besonders schwer. Eine der grundsätzlichen Änderungen in der
Gesetzgebung beinhaltet, dass kaum noch Einmalleistungen an ALG-II-EmpfängerInnen
bezahlt werden. So können Betroffene heute kein Extra-Kleidergeld oder
Geld für Einrichtungsgegenstände beantragen, sofern es sich nicht um eine
Ersteinrichtung handelt. ALG-II-EmpfängerInnen werden deshalb in Merkblättern
darauf hingewiesen, dass von dem erhaltenen Geld Rücklagen zu bilden sind,
um Sonderausgaben finanzieren zu können. Im Fall einer Kontopfändung kann
dies zu hohen Geldverlusten führen. Obwohl ALG-II- EmpfängerInnen seit
dem 1. Januar 2005 darauf angewiesen sind, Geld anzusparen, wurden die
Gesetzesregelungen zum Pfändungsschutz nicht geändert.
Das Amtsgericht Berlin-Neukölln geht daher unter Bezug auf die allgemeine
Regel in § 55 Abs. 4 Sozialgesetzbuch (SGB) I, davon aus, dass das Geld
der ALG-II-EmpfängerInnen wie andere Sozialleistungen auch lediglich innerhalb
eines Monats seit Erhalt nicht gepfändet werden kann. Angespartes Geld
ist demnach unbegrenzt pfändbar. Betroffene, welche das Jahr über sparen,
um sich einen Wintermantel zu kaufen oder einen kaputten Fernseher zu
ersetzen, können so auf einen Schlag ihr gesamtes Erspartes verlieren.
Der Beschluss wurde am 20. Juni 2005 vom Landgericht Berlin bestätigt
(Az.: 81 T 502/05), wobei das Gericht zur Begründung auf Literatur aus
dem Jahre 2002 bezug nahm. Es scheint die dargestellte neue Gesetzeslage
nicht zur Kenntnis genommen zu haben. Eine Auslegung im Sinne des veränderten
SGB II erfolgte somit nicht.
Ein anderes Problem in Berlin ist die schleppende Bearbeitung von Anträgen
und die Schwierigkeit, die Behörden zur fristgemäßen Bearbeitung anzuhalten.
So hat die Gesetzesumstellung dazu geführt, dass noch immer Anträge aus
dem Jahr 2004 nicht bearbeitet sind. Auch Fortzahlungsanträge für ALG
II werden nur schleppend bearbeitet. Obwohl aus dem zweiseitigen Antragsformular
meistens lediglich hervor geht, dass sich nichts geändert hat, ist es
insbesondere dem Jobcenter Neukölln nicht möglich, diese Anträge innerhalb
einer Frist von drei Wochen zu bearbeiten. Einstweilige Anordnungen des
Sozialgerichts führen häufig ebenfalls nicht zu einer Beschleunigung.
Die RichterInnen teilen bei entsprechenden Anträgen mit, dass mit dem
Jobcenter Neukölln schon einschlägige Erfahrungen gemacht worden seien.
Theoretisch besteht zwar die Möglichkeit, die Androhung eines Zwangsgeldes
in Höhe von 1000 Euro zu beantragen. Auch dies führt aber leider nicht
zu einer Beschleunigung. Es bleibt das persönliche Erscheinen, das vierstündige
Warten, nach dem mensch dann eine Abschlagszahlung in Höhe von lediglich
100 Euro erhält.
Florian Gommel, Berlin
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