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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 20. Januar 2006 (Aktenzeichen: V ZR
134/05) die Revision einer Abschiebegegnerin gegen ein Urteil des Landgerichts
(LG) Frankfurt/Main vom 20. Mai 2005 abgewiesen. Sie hatte sich in den
Vorinstanzen gegen ein Hausverbot gewandt, welches ihr die Betreiberin
des Flughafens Frankfurt/Main, die Fraport AG, ausgesprochen hatte.
Am 11. März 2003 verteilte sie in einer Abflughalle Flugblätter an die
Passagiere eines Flugzeuges, mit dem auch ein Ausländer abgeschoben werden
sollte. Diese enthielten Informationen über das Schicksal des Ausländers
und das Instrument der Kettenabschiebung. Da hierfür die Einwilligung
der Fraport AG fehlte, erhielt sie Hausverbot. Die Abschiebegegnerin sah
dadurch ihre Meinungs- und Demonstrationsfreiheit aus Art. 5 und Art.
8 Grundgesetz (GG) verletzt.
Anders als das LG begründete der BGH die Zulässigkeit des Hausverbotes
aber nicht mit der mangelnden Grundrechtsbindung der Fraport AG als Private.
Das Hausverbot sei auch zulässig, wenn eine solche Bindung bestünde -
was der BGH leider ausdrücklich offen lässt, obwohl gegenwärtig das Land
Hessen 31,7%, die Stadt Frankfurt/Main 20,3% und die Bundesrepublik Deutschland
6,6% der Fraport-Aktien halten.
Der BGH argumentiert, Art. 8 GG gewähre keinen Anspruch auf eine Demonstration
an einem Ort, für den kein Benutzungsrecht bestünde. Der Fraport AG erwachse
auch als öffentlicher Unternehmung keine Verpflichtung, DemonstrantInnen
ein Benutzungsrecht einzuräumen, falls zu befürchten sei, dass eine Störung
des Flugbetriebs bezweckt werde. Davon sei aber auszugehen gewesen, da
die Flugblätter die Passagiere zu Solidaritätsbekundungen mit dem abzuschiebenden
Ausländer bewegen sollten, und solche Bekundungen geeignet seien, den
störungslosen Flugbetrieb zu gefährden. Auch aus Art. 5 GG ergebe sich
kein Anspruch auf Nutzung des Flughafens zum Zwecke der Meinungsäußerung.
Denn die durch das Hausverbot konkret vorgenommene Beschränkung der Meinungsfreiheit
diene dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Flugbetriebes. Dies sei ein
"gewichtiger Gemeinwohlbelang [...], die damit verbundene Einschränkung
der Meinungsfreiheit [sei] deshalb hinzunehmen".
Obwohl die tendenziell anklingende Grundrechtsbindung öffentlicher Unternehmen
zu begrüßen ist, stellt das Urteil einen Schlag gegen die demokratische
Kultur dar. Das Ergebnis der Abwägung Meinungs- und Demonstrationsfreiheit
versus Ungestörter Flugbetrieb, aber auch das Ausklammern der Frage, welchen
Wert die Demonstrationsfreiheit angesichts zunehmender, nicht nur formeller,
sondern auch materieller Privatisierung öffentlichen Raumes noch hat,
ist besorgniseregend. Die unterlegene Klägerin wird Verfassungsbeschwerde
gegen das Urteil des BGH einlegen.
Philip Rusche, Greifswald
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